0414 - Zweikampf um die Ninja-Krone
wirst du auf meine Regeln eingehen. Dreh dich um!«
Yakup zögerte nicht. Der andere war stärker, und der Türke hatte sich damit abgefunden, die Schuldbestrafung zu erleiden, die man ihm angedroht hatte.
Als er Shimada den Rücken zudrehte, befahl ihm dieser, den linken Arm anzuheben.
Auch das tat er.
Dann musste Yakup die linke Hand zur Faust ballen und nur den kleinen Finger ausgestreckt lassen.
Er hörte die Stimme des Mächtigen hinter sich. »Die Jahrhunderte sind vergangen, doch die alten Regeln bleiben bestehen. Ich werde dein Schuldbekenntnis deinen Freunden schicken, damit sie sehen, wie es dir weiterhin ergehen wird. Das ist der erste Finger, morgen folgt der zweite, und beim Sonnenaufgang des übernächsten Tages der dritte. So wird es dann weitergehen, bis du keine Finger mehr hast.«
Yakup Yalcinkaya stand auf dem Fleck, ohne sich zu rühren. Die langen Tage der Gefangenschaft schien er nicht mehr zu spüren, denn er fühlte den Strom der Kraft durch seinen Körper rinnen.
Sie wurde in der Seele geboren, er war stark, er würde stark bleiben, auch wenn das Schreckliche geschah.
Yakup konnte Shimada nicht sehen, der dicht hinter ihn getreten war. Aber er ahnte es, und er wusste auch, dass dieser Dämon kein Zurück mehr kannte.
Dann hörte er das Geräusch.
Ein schnelles, irres Pfeifen, Luft die von einer nach unten rasenden Klinge zerschnitten wurde.
Den Kontakt zwischen Klinge und Finger spürte er nicht. Nur dieses verdammte Geräusch, das erklang, als sein kleiner Finger neben ihm zu Boden fiel.
Wie taub war die linke Hand.
Zwei, drei Sekunden spürte er nichts.
Dann kam der Schmerz!
Beißend, zuckend und würgend. In Yakups Gesicht spiegelten sich die Gefühle wider. Er knirschte mit den Zähnen, er spürte die Trockenheit in der Kehle, aber nicht ein Laut des Schmerzes drang über seine Lippen, so sehr hatte er sich in der Gewalt.
Du musst den körperlichen Schmerz mit dem Willen bekämpfen!
Das hatte ihm einmal der weise Zii gesagt. Daran hielt sich Yakup, der kaum merkte, dass es wieder stockfinster um ihn herum geworden war, denn Shimada hatte ebenso lautlos die Höhle im Berg verlassen, wie er gekommen war.
***
Noch nie hatte ich so etwas gesehen!
Wir befanden uns in einem weiten japanischen Garten. Wunderbar angelegt, mit kleinen Teichen, künstlichen Hügeln, Miniatur-Pagoden, Teehäusern, Brücken und Bächen.
Sorgfältig gestutzte Hecken rahmten die gepflegten Wege. Es war ein Bild des Friedens, der Stille, und trotzdem fühlte ich mich verdammt unwohl, denn wir wurden aus zahlreichen Augen beobachtet.
Es waren die Vögel!
Woher der Japaner die Falken hatte, wussten wir nicht. Sie waren da, hatten ihre Plätze eingenommen und beobachteten uns aus ihren runden Augen, wie wir den Hauptweg entlang zur Residenz des Falken hochschritten.
Mit dem Wagen hatten wir nicht auf das Gelände fahren dürfen.
Er stand draußen und wurde ebenso unter Beobachtung gehalten wie wir. Ob der Falke Grund hatte, sich zu fürchten, war uns unbekannt. Jedenfalls folgten wir seinem hochgewachsenen Leibwächter, der sich als Pit Shrivers vorgestellt und erklärt hatte, Niederländer zu sein. Er stammte aus Amsterdam.
Irgendwie musste es ihn nach Japan verschlagen haben. Er trug die japanische Kampfkleidung der Kendo-Leute, wobei wir sichtbar keine Waffen an ihm entdeckten.
Hin und wieder sahen wir einen weiteren Bediensteten. Die meisten von ihnen trugen Weidenkörbe mit sich herum. Als einer der in blaue Kittel gesteckten jungen Leute an uns vorbeikam, hörten wir quiekende Geräusche aus dem Korb. Zugleich ein Kratzen und Rascheln.
Pit streckte einen Arm aus. Der junge Mann mit dem Korb blieb stehen. Er schaute den Holländer fast demütig an, und als dieser darum bat, öffnete der Helfer den Deckel.
»Schauen Sie hinein!« sagte Shrivers.
Mäuse und Ratten bildeten eine zuckende graue Masse. Manche wirkten sehr gierig, besonders die Ratten. Und eine war besonders vorwitzig. Noch ehe der Deckel wieder auf den Korb gepresst werden konnte, hatte sie ihn schon miteinem Satz verlassen und war auf den Weg gesprungen. Keiner von uns traf Anstalten, sie wieder einzufangen. Das besorgte ein anderer.
Von seinem Platz her löste sich ein Falke. Pfeilschnell war er, schneller als die Ratte, die einen Bogen geschlagen hatte und über den geschorenen Rasen zu einem kleinen Teich rannte.
Sie hatte nicht die Spur einer Chance.
Plötzlich war der Falke über ihr. Im Flug packte er zu. Die
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