0416 - Im Namen der Hölle
musste es auch sein, denn das Wetter meinte es nicht sehr gut mit uns. Es wehte ein steifer Wind aus Nordwest. Die Oberfläche wurde zu einem wogenden Teppich mit langen Wellen, die wir regelrecht abreiten mussten. Weder Bill noch ich wurden leicht seekrank, und das war auch gut so.
Wir hatten Ölzeug übergestreift. Es wies die Tropfen der langen Gischtwolken ab, die über die Bordwand wirbelten. Ich stand neben Riley und hielt das Glas gegen die Augen gepresst.
Trotz der Weite des Meeres, die Alcatraz umgab, wirkte die Insel wie ein gewaltiger Brecher, ein Klotz aus Felsenund Beton, dem selbst der wildeste Sturm nichts anhaben konnte.
Ich sah die gelbbraunen Felsen, die mauerartig aus dem Wasser stiegen, senkrecht, ohne Vorsprünge, Hindernisse oder Kletterhilfen.
Wer da einen Ausbruch versuchte, war wahrscheinlich lebensmüde.
Es standen auch noch die Türme, wo die Wächter mit ihren geladenen Waffen gesessen hatten. Es gab noch den Zaun auf der Mauer. Elektrisch geladen, unter Spannung stehend. Und es gab den Weg von der Anlegestelle, diesem kleinen künstlichen Hafen, bis hin zur Festung.
Ein Weg, den Gefangene in mühevoller Arbeit gebaut hatten. Gepflastert mit rohen Steinen, oft uneben, sehr holprig.
Alcatraz war eine Hölle im Meer gewesen und jetzt nur noch ein gewaltiges Denkmal.
Im Hafen lag kein zweites Boot. Es ließ darauf schließen, dass wir die Einzigen waren, die sich der Insel näherten. Wenn Jane Collins, von wem auch immer, auf das Eiland gebracht worden war, dann nicht mit einem Boot, das im Hafen angelegt hatte.
Riley hielt das Ruder. Ich wandte mich an den Reporter. »Gibt es noch einen zweiten Anlegeplatz?«
»Nicht einen in der Güte.«
»Sondern?«
»Auf der Westseite der Insel existiert eine kleine Bucht. Da kann man anlegen, aber das würde ich niemandem raten. Die Klippen sind dort messerscharf und liegen dicht unter der Wasseroberfläche. Da schneidet dir der Fels das Boot auf.«
»Danke.«
Ich verließ den Platz und ging zum Heck, wo Bill hockte und sein Gesicht gegen den Wind hielt. Er grinste mich an. »Du hast durch das Glas geschaut, John.«
»Ja und nichts gesehen.«
»Ist Jane nicht da?«
»Ich weiß es nicht. Sie müsste mit einem Boot herbeigeschafft worden sein, aber da lag keines.«
»Wenn die anderen wieder zurückgefahren sind?«
»Und Jane?«
Bills Gesicht wurde hart. »Kannst du dir das nicht denken?« fragte er leise.
Ich nickte. Klar, er rechnete damit, die Leiche der ehemaligen Hexe zu finden. Natürlich hatte auch ich mir darüber Gedanken gemacht, aber ich war nicht bereit, dies so ohne weiteres zu akzeptieren. Bisher hatten wir immer eine Chance gesehen, Jane Collins aus dem Dilemma herauszuholen. Ich hoffte, dass es auch diesmal klappte.
»Ich wollte dir nicht den Mut rauben, John.«
»Das hast du auch nicht. Ein Traumtänzer bin ich nicht geworden. Wir werden die Insel durchsuchen, und wenn wir sie nicht finden, gehen wir ins Kloster und sehen uns dort um. Ich werde das Gefühl nicht los, dass dort auch etwas geschehen ist.«
»Vielleicht hängt das alles mit deinem letzten Fall in Tokio zusammen. Da habt ihr gewonnen. Yakup hat die Krone der Ninja an sich genommen. War sie ein Segen, oder hat sich ihr Besitz schon jetzt in einen Fluch umgewandelt? Diese Frage müssten wir uns stellen.«
Damit lag der Reporter genau auf meiner Wellenlänge. Möglicherweise schlug die andere Seite jetzt auf Umwegen zurück.
Shimada und Asmodis, die ebenfalls hinter der Krone der Ninja her gewesen waren, vergaßen eben nichts.
Bill bot Zigaretten an. Wir hatten Mühe, die Glimmstängel anzuzünden. Nach einer Weile meinte mein Freund: »Es muss doch einen Grund gegeben haben, dass man Jane nach Alcatraz geschafft hat.«
»Vorausgesetzt, sie ist wirklich dort.«
»Das meine ich. Also, hat es einen Grund gegeben? Ich frage mich nur, welchen! Wer in ein Zuchthaus geschafft wird, den bestraft man.«
»Da hast du schon den Grund. Die andere Seite gibt Jane Collins die Schuld an Wikkas Tod. Sie hat nichts vergessen, Bill. Überhaupt nichts, daran solltest du denken. Alcatraz istgroß. Dort kann man einen Menschen lebendig begraben. Sieh dir diese verdammten Mauern doch nur an. So etwas ist einfach furchtbar.«
»Vielleicht hat man das mit Jane vorgehabt.«
»Möglich.«
Es war uns nicht mehr nach Reden. Wir saßen da und starrten auf den weiten, wogenden Wasserteppich vor uns. Graugrün in der Farbe, bedeckt mit einer langen Dünung und weitgeschwungenen
Weitere Kostenlose Bücher