0418 - Das Richtschwert der Templer
schon, daß Sie an einem toten Punkt angelangt sind«, erklärte er mit einer Stimme, die mich aufhorchen ließ. Wenn der Alte so redete, hatte er zumeist etwas in der Hinterhand.
»Wie meinen Sie das genau, Sir?«
»Das will ich Ihnen sagen.« Er setzte seine Brille wieder auf und zwinkerte mit seinen durch die Gläser eulenhaft vergrößerten Augen. »Manche Kollegen sind der Ansicht, daß man mich pensionieren oder abschieben sollte, das gefällt mir überhaupt nicht. Nun ja, es gibt andere Leute, die da realistischer denken. Ich werde Ihnen also noch einige Jahre erhalten bleiben. Auch wenn es so aussieht und man mich nur hier im Büro sitzen sieht oder mich im Club weiß, es gibt gewisse Dinge, über die ich besser etwas erfahren kann als meine Kritiker.«
Wenn der Alte so weit ausholte, mußte tatsächlich etwas im Busch sein. Ich fragte nichts, sondern ließ ihn reden.
»Kommen wir auf den Club zu sprechen, meine Herren. Sie wissen selbst, wie das mit diesen Clubs ist. Dort finden sich Gentlemen zusammen, die unter sich sein wollen, die diskutieren, lesen, Gedanken austauschen und oft über Dinge sprechen, die allein in den Wänden des Clubs bleiben und nicht nach draußen dringen. Man verpflichtet sich gewissermaßen mit dem Eintritt in den Club, über das zu schweigen, was dort geredet wird. Ich habe mich bisher immer an diese Regel gehalten, doch jetzt werde ich eine Ausnahme machen. Wer mich kennt, wie Sie beide, wird ermessen können, welch eine Überwindung es mich kostet, mein Schweigen zu brechen.«
Da hatte Sir James recht. Er war nicht der Mann, der über Dinge erzählte, die nicht für andere Ohren bestimmt waren. Der Grund mußte wirklich tiefer liegen, und es kostete ihn Überwindung, denn seine innerliche Erregung zeigte sich auch äußerlich. Er holte ein Tuch hervor und wischte seine Stirn vom Schweiß blank.
»Sir, wenn es Ihnen zu nahegeht, daß Sie ein Tabu brechen, möchten wir es nicht wissen.« Suko hatte den Satz gesprochen, mich dabei angeschaut und sah mein Nicken.
»Ich habe mich ja zu reden entschlossen. Ich muß einfach darüber sprechen, da es uns angeht. Das heißt, unsere Abteilung. Außerdem wird es ja unter uns bleiben.«
»Das versprechen wir, Sir.«
»Dann ist alles klar. Wie gesagt, im Club kommen zahlreiche Männer zusammen. Man spricht über vieles, und ich horchte natürlich auf, als ein Clubfreund von mir einmal etwas über die Templer sagte. Ich kenne den Mann nicht sehr gut, wir haben uns immer freundlich gegrüßt, aber sonst keine Gemeinsamkeiten. Er geht einem anderen Beruf nach, denn er ist Waffenhändler. Außerdem sammelt er alte Waffen. Mittelalterliche Hieb- und Stichwaffen, um genau zu sein. Wir sprachen über sein Hobby, und für mich wurde es interessant, als er die Templer erwähnte. Ich hakte nach und erfuhr, daß er sich noch gern einen Traum verwirklicht hätte. Mich wunderte es, daß ein Mann mit seinen Beziehungen es nicht schaffte, aber er verneinte nur und erklärte mir, daß es sich dabei um eine besondere Waffe handelte. Um das Richtschwert der Templer!«
Suko und ich sahen uns erstaunt an. Nein, davon hatten wir beide bisher noch nichts gehört.
»Ist Ihnen der Begriff schon einmal untergekommen?« erkundigte sich Sir James.
»Nie.«
»Auch Abbé Bloch hat es nicht erwähnt, als sie ihn in Frankreich trafen, John?«
»In der Tat nicht.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Ich interviewte den Kollegen also weiter und fand heraus, daß er viel über das Schwert wußte, ihm aber nicht bekannt war, wo er es finden konnte.«
»Was wußte er denn über das Schwert?«
Sir James lächelte schmal. »Es wird Sie und Suko überraschen, wenn ich Ihnen die Antwort gebe. Das Schwert soll einmal einem Mann namens Hector de Valois gehört haben. So jedenfalls erzählt es die Geschichte. Wissen Sie nun jetzt, aus welch einem Grunde ich so überrascht war?«
Wir nickten beide. »Das können wir uns vorstellen.« Suko stellte noch eine Frage: »Was ist denn so Besonderes an der Waffe?«
»Danach habe ich den Kollegen auch gefragt. Normalerweise kommt man bei einer solchen Waffe auf die Klinge zu sprechen. Man schwärmt davon, wie gut sie geschmiedet ist, wie prächtig man sie führen kann und wie kampfstark so eine Waffe sein kann. Das alles ließ er weg. Er sprach nur vom Griff der Waffe. Es mußte etwas Besonderes sein. Zwar ist das Schwert mit einem Überzug aus Gold versehen, was es allein schon wertvoll macht, auch das war für meinen
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