0419 - Schattenjäger
Mörder!
Zamorra ging zum Parkplatz. Sein Cadillac Seville stand noch da. Im Handschuhfach fand Zamorra zwei Karten - eine vom Staat Florida, eine zweite von der Stadt Miami und der näheren Umgebung. Er fand das Krankenhaus eingezeichnet, und er fand auch die Le-Jeune-Road und die 7. Straße. In der Nähe dieser Kreuzung sollte er seinen Zusammenbruch erlitten haben.
Das war zu Fuß ein beträchtliches Stück. Zamorra wunderte sich, daß er so schnell so weit gekommen war.
Diesmal nahm er den Wagen, aber im vormittäglichen Stauverkehr kam er nur langsam vorwärts. Bald erreichte er die Stelle, an der er zusammengebrochen war, parkte und versuchte die Spur wieder aufzunehmen.
Ein junger Farbiger stand gelangweilt neben einem Zeitungskiosk, an dem Zamorra vorbei gehen wollte. Da sah der Professor die Schlagzeile der Tageszeitung. Ein Bild eines verwüsteten Krankenhauszimmers war zu sehen, darunter ein Phantombild, das Ombre erschreckend deutlich zeigte. Zamorra kaufte die Zeitung und überflog den Text. Der Artikel war reißerisch aufgemacht. Man vermutete einen Anschlag libyscher Terroristen oder eines kolumbianischen Drogenkartells und ließ auch weitere Möglichkeiten offen. Nach dem Attentäter wurde gesucht, und eine Belohnung war ausgesetzt worden.
Der junge Farbige beobachtete Zamorra. Und plötzlich existierte zwischen ihnen ein unsichtbares Band, das sich nicht erklären ließ. Hinterher fanden weder der Neger noch Zamorra eine Erklärung dafür, weshalb der Farbige den Weißen ansprach: »Gestern abend saß in Lobo’s Jazz-Box einer neben mir, der diesem Terroristen glich wie ein Ei dem anderen. Wir haben sogar noch über die Belohnung gescherzt, und er meinte grinsend, er sei wenigstens das Zehnfache wert…«
Zamorra sah den Neger überrascht an. Er hatte nicht damit gerechnet, angesprochen zu werden, aber im nächsten Moment fand er es völlig natürlich. »Ich bin Zamorra«, sagte er einfach und streckte die Hand aus, die der Neger ergriff. Der Farbige stellte sich als Jim vor. Das reichte für die kurze Unterhaltung.
»Wo ist denn Lobo’s Jazz-Box?« wollte Zamorra wissen.
Jim grinste und deutete an Zamorra vorbei auf die andere Straßenseite. »Da«, sagte er. »Laut, aber gut. Und tolle Mädchen gibt’s da. Mit einem ist der Doppelgänger abgezwitschert…«
Zamorra wußte jetzt, daß er auf einer heißen Spur war. Er mußte es mit dem Amulett tatsächlich bis dicht vor sein Ziel geschafft haben, denn daß der Mann, den Jim für einen Doppelgänger hielt, Ombre war, war für ihn klar.
So nah vor dem Ziel umgekippt zu sein, war mehr als ärgerlich. »Aber Sie schickt mir der Himmel, Jim. Ich suche diesen Mann wie eine Stecknadel im Heuhaufen.«
»Sind Sie ’n Cop, Zamorra?« Jim wurde mißtrauisch.
Zamorra beschwichtigte ihn und konnte das Mißtrauen beseitigen. »Wissen Sie, wo das Mädchen zu finden ist, mit dem Ombre verschwand?«
»Glauben Sie im Ernst, daß er das wirklich war? Aber er war doch so ruhig und ausgeglichen. Keine Unruhe wie bei jemandem, hinter dem die Polizei her ist… er ist ja nicht mal kurz zusammengezuckt, Mann!«
»Ein Beweis für seine ausgezeichnete Selbstbeherrschung. Aber Sie können sich einen Fünfziger verdienen, wenn Sie mir einen Tip geben, wo ich Ombre jetzt finden kann.«
»Wenn er noch da ist. Lou-Belle pflegt ihre Abendbekanntschaften spätestens nach dem Frühstück rauszuschmeißen. Sind Sie mit dem Wagen hier? Wenn ich einsteigen darf, lotse ich Sie hin.«
»Einverstanden.« Zamorra fand einen Fünfzig-Dollar-Schein und reichte ihn Jim. Er pflegte Versprechungen immer zu halten, und das Geld war es ihm wert.
Jim war von dem Cadillac Seville nicht beeindruckt. »Nicht mal ’n richtiger Sportwagen«, mäkelte er und flegelte sich auf den Beifahrersitz. Dann gab er Zamorra Kursanweisungen.
»Kennen Sie Lou-Belle gut«, erkundigte sich Zamorra.
Jim zeigte zwei Reihen prachtvoll weißer grinsender Zähne. »Wer kennt Lou-Belle nicht, unsere Eine-Nacht-Samariterin? Der macht’s einfach Spaß, sich jede oder wenigstens jede zweite Nacht einen Boy aufzureißen und ihn zu verwöhnen, aber eine Dauerbeziehung hat sie dabei noch nie hingekriegt, solange ich sie kenne, und das ist immerhin schon über zwanzig Jahre her.«
Zamorra sah ihn verblüfft an. Viel älter als zwanzig konnte Jim doch gar nicht sein.
Der Neger grinste immer noch. »Lou-Belle ist mein kleines Schwesterchen«, gestand er. »Gerade mal vier Minuten jünger als ich, aber
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