042 - Dämonenbrut
dem angeblichen Frank Hogan nicht abreißen zu lassen. Aber der Junge
war nicht ansprechbar. Aus den Augenwinkeln heraus mußte die Kinderschwester
feststellen, daß der blonde Junge dumpf vor sich hinbrütete.
»Wurdest du
geschlagen?« fragte sie dann unvermittelt.
»Ja! Sehr oft
sogar. Meine Eltern haben mich gehaßt. Ich möchte nicht mehr zu ihnen zurück.«
Die Nurse
atmete tief durch. Es kam ihr in den Sinn, den Jungen nicht nur bei seiner
Großmutter abzusetzen, sondern auch die Jugendfürsorge oder die Polizei zu
benachrichtigen. Wenn das stimmte, was er behauptete, dann würde es gut sein,
wenn jemand von Amtswegen sich näher mit den Familienverhältnissen
auseinandersetzte.
Aber zum
erstenmal kamen ihr auch Zweifel, als diese Gedankengänge ihren hübschen Kopf
bewegten. Der Junge machte keinen verwahrlosten und heruntergekommenen
Eindruck.
Aber das
brauchte nicht viel zu bedeuten. Rabeneltern gab es in jeder sozialen Schicht.
»Würden Sie
bitte mal halten, Miß!«
»Aber warum
denn, Frank?«
»Ich muß mal
'raus.«
»Kannst du
nicht warten bis nach Middletown, Frank? Wir sind gleich da.«
Sie warf ihm
einen Blick zu. Ihre Augen begegneten den seinen.
Mit keinem
Gedanken dachte sie daran, daß er vielleicht versuchen könnte, wieder
wegzulaufen. Da hätte er sich ihr nicht anvertraut.
»Nun gut«,
murmelte sie, verringerte die Geschwindigkeit, fuhr rechts heran und lächelte
ihm zu.
»Nun geh
schon!«
»Würden Sie
bitte das Licht ausschalten?« fragte er.
»Oh, der
junge Mann geniert sich? Aber da sind doch Büsche und Bäume.«
»Bitte!«
Sie nickte,
drehte den Schalter um, und der Wagen stand in völliger Dunkelheit am
Straßenrand.
»Aber du
erlaubst doch, daß ich wenigstens die Parkleuchte brennen lasse?« fragte
Patricia Crone. »Wenn ein Auto kommt, muß der Fahrer wenigstens unsere Position
erkennen, verstehst du?«
Noch immer
lächelnd wandte sie den Kopf, doch das Lächeln gefror auf ihren Lippen.
Eiskälte ließ
sie erschauern. Sie erwartete den kleinen blonden Jungen an ihrer Seite, aber
neben ihr - saß ein leibhaftiger Dämon!
Der riesige,
aufgedunsene Schädel war eine Ausgeburt der Hölle.
Patricias
Nackenhaare sträubten sich. Sie war unfähig sich zu rühren oder zu schreien.
Ein Kloß saß in ihrem Hals, und ihr Herzschlag stockte.
Raubtieraugen
musterten sie. Die Pupillen vor ihr glühten und nahmen ein feuriges Rot an.
Dann reckten
sich die beiden Arme des Jungen in die Höhe.
Patricia
Crone wurde kreidebleich.
Sie sah die
furchtbaren Klauen und die langen, gebogenen Krallen, die anstelle der
Fingernägel wuchsen.
Es ging alles
blitzschnell.
Die Krallen
rissen über ihr Gesicht. Breite, blutige Streifen zogen sich von ihrer Stirn
bis zum Kinn.
Patricia fiel
in die Hände einer Bestie, die solange auf sie einschlug und sooft die starken
Krallen in ihr Fleisch bohrte, bis die junge Frau vornüber fiel. Schlaff hingen
die Arme der leblosen Nurse an der Seite herab.
Der Dämon mit
dem Teufelsschädel und dem Kinderkörper riß ohne besondere Hast die Tür auf,
blickte mit leuchtenden Augen um sich und huschte davon.
Die Straße
lag leer und verlassen. Das winzige Parklicht verschwand hinter den wabernden
Nebelschleier, und aus einer Entfernung von zehn Metern nahm man den VW schon
nicht mehr wahr.
Der Dämon
eilte mit ausdauernden Laufschritten den Weg zurück, den das Auto gekommen war.
Er mußte
ungefähr eine Meile laufen, ehe er den schmalen Pfad fand, der nach rechts in
den kahlen Wald führte.
Mit
instinktiver Sicherheit tauchte das unheimliche Wesen in
der
Finsternis unter. Sein Ziel war das alte, verlassene Hotel Old Mexican.
●
James Rutigan
rauchte eine Zigarette nach der anderen.
Er saß allein
in dem großen, langen Flur. Die weißen Wände umgaben ihn, und er fühlte sich
wie in einer Zelle.
Die sterile,
kühle Atmosphäre eines Krankenhauses.
Vor wenigen
Minuten hatten sie Violetta in den Kreißsaal gebracht.
Fünf Monate
waren seit jener Nacht vergangen, aber James Rutigan kam es vor, als wäre alles
erst gestern gewesen, so klar und deutlich sah er die Dinge noch vor sich.
Eine Geburt -
fünf Monate nach der Zeugung! Eine Frühgeburt. Die Ärzte standen vor einem
Rätsel, und zur Entbindung Violettas hatten sich mehrere Mediziner und sogar
ein Professor eingefunden, was normalerweise nicht der Fall war. Und das
wiederum versetzte James Rutigan in Angst.
Endlich wurde
die Tür geöffnet. Zwei Ärzte kamen heraus,
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