042 - Die Unsterblichen
auf den Grizzo los.
Kurz bevor er in die Reichweite der Tatzen geriet, sprang er vom Boden ab. In einer eleganten, tausendmal geübten Bewegung riss er den Brustkorb zurück, bis sein Körper waagerecht in der Luft lag. Das linke Bein angewinkelt, das rechte ausgestreckt segelte er auf den Koloss zu. Sein Absatz hämmerte auf die empfindliche Bärenschnauze, doch der Schwarzbepelzte geriet nicht mal ins Schwanken.
Es war, als ob Aiko gegen eine Betonwand springen würde. Keuchend landete der Japaner auf dem Boden. Er federte in den Knien nach, um seinen Aufprall zu dämpfen, da war der Grizzo auch schon über ihm.
Wuchtige Prankenhiebe schnitten durch die Luft. Aiko pendelte zur Seite und hämmerte seine Fäuste im Gegenzug tief in den Leib des Tieres. Der Grizzo stieß ein lautes Geheul aus, wich aber nicht zurück, sondern ließ sich nach vorne fallen. Ein normaler Mensch wäre von dem Gewicht zu Boden gedrückt worden, doch Aiko stemmte sich dem Fleischberg entgegen. Mit beiden Händen packte er das Tier bei der Kehle und drückte zu.
Der Grizzo schüttelte wütend den Kopf, doch es gelang ihm nicht, die Umklammerung zu sprengen. Dafür trafen seine Pranken ihr Ziel. Die sichelförmigen Krallen schlugen tiefe Wunden in Aikos Arme, erzielten aber sonst keine Wirkung. Der Japaner ließ einfach nicht locker.
Wütend bäumte sich der Bär auf und wirbelte auf den Hintertatzen herum.
Die Bewegung war so heftig, dass Aiko den Halt verlor. Plötzlich flog er auf die nahe Grubenwand zu. Instinktiv drehte er sich in der Luft, um den Aufschlag zu mindern, doch es gelang ihm nur halb. Statt mit dem Kopf voran, prallte er mit dem Rücken gegen den harten Beton.
Benommen glitt er zu Boden.
Es sah nicht gut für ihn aus, obwohl nur wenige Blutstropfen aus den klaffenden Oberarmwunden drangen. Als einer der Hautlappen zur Seite klappte, wurde sichtbar, warum: Statt Muskelfasern schimmerte nur blanker Stahl hervor. Knisternde Spannungsbögen liefen über elektronische Bauteile.
Die Gaffer, die über ihm an die Grube drängten, trauten ihren Augen nicht.
»Ein Unsterblicher!«
Der Schrei zerriss die Stille, die sich für Sekunden über die Arena gesenkt hatte und wurde wie ein Lauffeuer bis zu den hintersten Plätzen weiter getragen. Schmährufe wurden laut, in die sich blanke Todesdrohungen mischten. Niemand liebte die Unsterblichen, die ihr unverschämt großes Territorium mit rabiaten Mitteln verteidigten. Man hatte auch von den brutalen Überfällen gehört, die in den vergangenen Tagen stattgefunden hatten.
Tönerne Flaschen hagelten in die Grube hinab. Sie sollten Aiko treffen, doch die meisten zerplatzten zwischen ihm und dem Bären. Der Grizzo trat in eine der Scherben und brüllte wütend auf. Weitere Wurfgeschosse stachelten das Tier noch stärker an. Zornig beugte es sich über Aiko, um ihn mit einem gewaltigen Prankenhieb zu köpfen.
Mit einer flinken Vorwärtsrolle rollte der Unsterbliche zwischen den vor ihm aufragenden Hintertatzen hindurch. Ehe das schwerfällige Tier reagieren konnte, sprang er ihm von hinten auf den Rücken.
Aikos Linke krallte sich im Fell fest. Der Grizzo versuchte ihn abzuwerfen, schüttelte wütend den Kopf und riss sein Maul auf.
Atemberaubender Gestank strömte Aiko entgegen. Die großen Fangzähne schimmerten wie stählerne Dolche.
Er wich den zuklappenden Kiefern aus, sparte sich aber jeden Triumph. Er wusste genau, dass er sich nicht lange auf dem Bärenrücken halten konnte. Ein unablässiger Hagel von Flaschen, Steinen und vereinzelten Pfeilen ging auf ihn nieder. Er musste so schnell wie möglich aus der Grube heraus oder er wurde von den Zuschauern gelyncht. Der aufgestachelte Grizzo würde ihn aber nicht so einfach gehen lassen.
Aiko klammerte sich weiter fest und stieß seine Rechte gut sichtbar in die Höhe. Jeder sollte sehen, wie der fünfzig Zentimeter lange Stahldorn knapp unterhalb des Handrückens aus seinem Arm sprang. Die zugeschliffene Spitze reflektierte im Sonnenlicht, bevor er sie dem Grizzo mit voller Wucht ins Ohr rammte.
Der Leib des Bären straffte sich schlagartig. Kein Laut drang mehr aus seiner Kehle, nur noch blutiger Schaum.
Aiko wartete nicht, bis das Tier zusammenbrach. Behände krabbelte er in den pelzigen Nacken, um ihn als Sprungbrett zu nutzen. Mit einem beachtlichen Satz katapultierte er sich in die Höhe.
Die Zuschauer wichen entsetzt zurück, als er mit seinen Händen am Grubenrand Halt fand. Geschmeidig schwang er sich
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