0420 - Aibons Schlangenzauber
Sinclair heißen und so…«
»Sie kennen meinen Namen?«
»Ja.«
»Woher?«
»Ist das wichtig?«
»Kommt darauf an, was Sie von mir wollen.«
»Das stimmt.« Er sah mir zu, wie ich einen Schluck von der goldbraunen Flüssigkeit nahm. »Ich hoffe doch, daß es Ihnen bei uns gefällt. Sind Sie eigentlich privat oder dienstlich hier?«
»Sagen wir halb und halb, Mr. Storm.«
Er hob jetzt auch noch die Augenbrauen. »Es ist mir unangenehm, Polizei in der Disco zu wissen.«
»Haben Sie einen Grund?«
Er tat entrüstet und hob beide Hände. »Nein, das nicht. Überhaupt keinen, mein Lieber. Hier wird nicht gedealt, hier…«
»Dann würde ich mich an Ihrer Stelle auch nicht aufregen.«
»Im Prinzip haben Sie ja recht, Mr. Sinclair. Es bleibt aber ein bitterer Nachgeschmack. Kümmern Sie sich nicht immer um so unheimliche Dinge, seltsame Fälle?«
»In der Tat.«
»Und was ist hier unheimlich?«
»Nicht Sie, Mr. Storm.«
Er lachte ein wenig weibisch, aber seine Augen blieben trotz des Glanzwassers lauernd.
»Wir sind hier, um uns die ›Top Fantastics‹ einmal in Ruhe anzuhören.«
»Wie?« fragte er.
»Ja, wir wollen die Sänger erleben. Die Gruppe soll ja wirklich so sein wie ihr Name.«
»Oh, das stimmt.« Er geriet ins Schwärmen und berichtete vom Werdegang der Sänger.
Ich fragte dazwischen. »Wie ist das eigentlich mit den Texten? Machen sie die selbst?«
»Ja. Darauf sind sie stolz.«
»Wieso?«
»Sie bringen eigene Erlebnisse in die Texte mit hinein. Da ist vieles aus dem Leben gegriffen.«
»Auch Aibon?«
Er runzelte die Stirn, und es sah so aus, als wüßte er nicht, ob er lachen oder weinen sollte. »Was meinen Sie denn damit, Sir?«
Ich gab noch keine Antwort, sondern warf einen Blick auf die Tanzfläche, wo sich mehrere Paare zu den Klängen langsamer Musik bewegten. Ich bemerkte auch Sukos Blick. Mein Freund schien verzweifelt zu sein. Er hatte diesen Storm an meinem Tisch sitzen sehen und fragte sich jetzt wohl, was wir zu bereden hatten. Bestimmt wäre er gern dabeigewesen.
Doch Shao ließ sich nicht beirren. Sie nahm ihre Chance wahr, mit Suko zu tanzen.
»Sie kennen doch den Song, Mr. Storm?« fragte ich.
»Ja, er ist wohl der beste im Repertoire der Gruppe.«
»Das meine ich auch.«
»Sind Sie wegen dieses Liedes gekommen?«
»Nicht direkt, uns interessiert die Gruppe.«
Plötzlich bewegte sich der Mann unruhig im Sessel. »Mr. Sinclair, ich weiß genau, daß wir ein sauberer Laden sind. Im Prinzip, meine ich. Was die von uns arrangierten Rock- und Popgruppen allerdings in ihrer knapp bemessenen Freizeit machen, ist uns nicht bekannt. Das müssen Sie mir schon glauben.«
Ich lächelte breit. Der Knabe sah sich in die Enge getrieben. Er hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen, dabei war er von mir nicht einmal hart attackiert worden. »Weshalb entschuldigen Sie sich fortlaufend, Mr. Storm? Sie sind doch clean und haben nichts zu befürchten, wie mir scheint. Oder?«
»Im Prinzip schon, aber sehen Sie den Menschen immer hinter die Stirn, Mr. Sinclair?«
»Nein.«
»Das meine ich auch. Mir kommt es tatsächlich nur auf den guten Ruf des Lokals an. Polizei hatten wir noch nie hier. Wenigstens nicht so öffentlich.«
»Wann tritt die Gruppe auf?« fragte ich.
Er warf einen Blick auf die Uhr. »In ungefähr zehn Minuten müßten sie erscheinen.«
»Ist das der erste Auftritt für heute abend?«
»Ja.«
»Dann freue ich mich darauf.«
Nicht nur ich wollte die Gruppe hören, auch andere Gäste. Mittlerweile hatte sich die Disco ziemlich gefüllt. Es schien sich herumgesprochen zu haben, wann die Gruppe ihren ersten Auftritt hatte.
Wenn ich mir die Gäste so ansah, hatte ich das Gefühl, die Londoner Schickeria zu sehen. Da waren kunterbunte Gestalten dabei – ob Männchen oder Weibchen – sie gaben sich alle wie aufgeputscht, und die Begrüßungsszenen erinnerten an filmreife Darbietungen.
Mir kam diese Schau viel zu verlogen vor. Jeder wollte sich ins Rampenlicht stellen, und auch Dorian Storm mischte mit. Er reichte einigen Gästen die Hand, war ganz unruhig geworden, weil er wohl nicht wußte, ob er sitzenbleiben oder aufstehen sollte.
»Sie können ruhig gehen, Mr. Storm.« Ich nahm ihm die Entscheidung ab. »Ich interessiere mich für die Gruppe.«
»Ja denn.« Er lächelte gequält. So ganz überzeugen hatte ich ihn nicht können.
Suko und Shao kehrten zum Tisch zurück. Sie sahen dem Geschäftsführer nach, als er zur Bar ging.
»Wer war das denn?«
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