0423 - Rally des Schreckens
nicht auf dem Grab geschlafen, aber du hast dich in den Wagen gesetzt und bist deshalb in meinen Bannkreis geraten. Ich spüre, daß du anders bist als viele der Menschen und auch gefährlicher.«
»Wie kommst du darauf?«
»Du trägst etwas bei dir.«
»Ja, schon…«
»Es ist ein Gegenstand, den es zwar zu meiner Zeit schon gegeben hat, den ich aber ablehnte.«
»Ein Kreuz?«
»Ja, wir Kelten kannten das Kreuz. Es sind andere gekommen, die im Zeichen des Kreuzes gegen uns kämpften. Sie wollten den Glauben an die Götter vertreiben, aber sie schafften es nicht ganz. Auch heute noch gibt es Menschen, die an uns glauben und die recht daran tun.«
»Wer sind diese Menschen?«
»Suchende, die mehr wissen wollen. Die sich auf die alten Geschichten und Legenden verlassen, die nicht über Grabschläfer lachen und das Wissen der Götter für sich benutzen wollen.«
Für mich sprach Wahina in Rätsel. Möglicherweise war er mein Feind, wer konnte das schon wissen? Ich spürte trotzdem keine Feindschaft zu ihm. Dafür hatte er mir zuviel gegeben. Ich genoß es einfach, mit dem Wagen in die Wolken zu stechen und den Himmel zu durchrasen. Und dieses herrliche Gefühl der Freiheit wollte einfach kein Ende nehmen. Wohin ich flog, war mir egal, der Wagen nahm mich einfach mit und schleuderte mich weiter in die Unendlichkeit des Himmels.
Die Stimme des alten Keltengottes war verstummt. Er ließ mich allein mit meinen Gefühlen, und mir gelang es allmählich, mich wohler zu fühlen. Ich schaute nicht allein stur geradeaus, sondern senkte auch meinen Blick und starrte hinab in die Tiefe.
Unter mir lag das Meer. Ich sah eine wogende, dunkle Fläche, über der dünne Wolkenbänke schwebten. Und ich dachte plötzlich daran, daß ich jetzt, wo ich im Wagen saß und mich auf andere Kräfte verlassen mußte, eigentlich völlig hilflos war.
Wie leicht konnte ich abstürzen.
Dann würde niemand kommen und mich auffangen oder retten, denn der Götze stand nicht auf meiner Seite.
Tief holte ich Luft. Die Luft war kalt. Mir fiel auf, daß es mir zum erstenmal seit Beginn des Flugs gelungen war, einen klaren Gedanken zu fassen. Und dieser Gedanke war nicht gerade ein Hoffnungsträger.
Der Götze und ich waren Gegner.
Er hatte den Wagen manipuliert, er konnte mit ihm spielen. Und nicht nur mit ihm, auch mit mir, wenn ich nicht tat, was er von mir verlangte. Das Meer war tief. Es konnte für mich zu einem eiskalten Grab werden.
Diesen Gedanken empfand ich als erschreckend. Mein Stimmungsbild änderte sich.
Aus dem Gefühl der Freiheit wurde etwas anderes.
Angst!
Ich reagierte und streckte die Arme aus. Beide Hände legte ich um das Lenkrad. Er kam mir in diesem Moment wie ein Rettungsanker vor, bei dem die Hoffnung allerdings sehr trügerisch war.
Noch ließ man mich in Ruhe. Ich konzentrierte mich wieder auf den magischen Flug. Der Wagen hatte seine Richtung verändert. Zwar flog ich weiterhin noch geradeaus, war aber so manipuliert worden, daß ich in eine weite Linkskurve geriet.
Mein Herzschlag hatte sich beschleunigt. Die Angst vor dem Ungewissen wollte nicht weichen. Das Mörder-Auto hatte mich aufgenommen, integriert, und es gehorchte auch weiterhin dem führenden Geist des begrabenen Keltengottes Wahina.
Wieder vernahm ich seine Stimme.
Sie vermischte sich mit dem Rauschen des Windes, der an meinen Ohren vorbeiwehte, und ich glaubte auch, ein leises, fernes Lachen zu vernehmen. »Hast du nachgedacht?«
»Das habe ich!«
»Ich kann dich beobachten. Ich bin überall und nirgendwo. Einmal hast du mich gesehen. Du sahst sechs Augen, als du auf mich und mein Gefährt wartetest. Erinnerst du dich?«
»Sicher.«
»Dann wirst du zugeben müssen, daß du mich nicht als einen Freund angesehen hast. Du bist gekommen, um mich zu vernichten. Und das habe ich dir nicht vergessen!«
Ich schwieg, spürte jedoch, wie sich in meinem Magen die Klumpen zu steinharten Gegenständen verdichteten. So etwas Ähnliches hatte ich mir schon gedacht, aber es noch aus meinen Gedanken verbrannt. Ich hatte einfach nicht daran glauben wollen.
»Du schweigst?«
»Was soll ich dir erwidern?«
»Es zugeben!«
Wieder spürte ich den Wind. Er biß in mein Gesicht, in die Augen, die zu tränen begannen. Ich hatte mich tief in den Sitz geduckt. Wolkenfetzen umflogen mich. Sie sahen, aus der Nähe betrachtet, so dicht aus, aber ich wußte, daß dies ein Irrtum war. Wenn ich fiel, war nichts vorhanden, um mich aufzufangen, auch die Wolken
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