0424 - Das lebende Bild
Bilder-Franz gehörte meiner Ansicht nach zu den undurchschaubaren Typen, die sich harmlos gaben, es aber faustdick hinter den Ohren hatten.
Jetzt fiel mir ein, daß ich ihn nicht mit einem Kunden sprechen gehört hatte. Nun, das Gewölbe war groß, aber ich traute dem Frieden nicht und wollte mich selbst überzeugen.
Sehr behutsam trat ich über die Schwelle und sah vor mir wieder die zahlreichen Bilder. Die einzelnen Staffeleienwaren so hoch gebaut worden, daß sich bequem jemand dahinter verstecken konnte.
Zuerst wollte ich nach ihm rufen, dann fiel mir ein, daß es besser war, wenn ich ihn lautlos suchte.
Mich umgab eine dumpfe Stille. Ja, sie kam mir dumpf vor.
Vielleicht lag es auch an der Wärme in diesem Gewölbe. An den Seiten standen lange Heizkörper, von denen die Hitze ausging.
Ich orientierte mich zum Ausgang. Nicht daß ich verschwinden wollte, nein, ich wollte nur etwas ausprobieren und hielt mich auf meinem Weg dicht an der Wand, wo ich Rückendeckung hatte.
Weder von Bilder-Franz noch von dem Kunden hatte ich etwas gehört. Rechts der Tür waren Rundbogenfenster in die Wand eingebaut worden. Allerdings mit einem so dicken Glas versehen, daß ich nicht hindurchschauen konnte. Möglicherweise war es auch von außen her vereist.
Ich stand vor der Tür, schielte hoch zur Glocke und wollte öffnen.
Es ging nicht. Die Tür war verschlossen, und ich konnte mich als Gefangenen bezeichnen.
Durch die Nase holte ich Luft. Angst verspürte ich nicht, eher ein Gefühl der Spannung. Bisher war nicht viel geschehen, aber meine Fragen mußten diesen Händler aufgeschreckt haben, sonst hätte er nicht so reagiert. Zudem mußte ich mit einem zweiten Gegner rechnen, dem Kunden.
Niemand zeigte sich.
Ich hatte mich wieder gedreht und schritt die vier breiten Steinstufen hinab. Davor blieb ich stehen. Mein Blick glitt über die Bilder an den Wänden und auf den Staffeleien.
Nichts hatte sich dort verändert, und doch wurde ich das Gefühl nicht los, unter Beobachtung zu stehen.
Mein Blick glitt hoch zur Decke. Sie lag glatt über mir und wirkte wie frisch gestrichen.
Plötzlich hörte ich das blechern klingende Lachen. Es stammte von einem Menschen. Trotz der Verzerrung hatte ich die Stimme erkannt. Sie gehörte Herrn Franz.
Das Lachen klang ab, dann wurde ich von dem Geschäftsmann angesprochen. »Das ist doch eine Überraschung, Herr Sinclair?«
»Kann man wohl sagen.«
»Wissen Sie eigentlich, daß Sie mein Gefangener sind?«
»Ich sehe es nicht so.«
»Es ist eine Tatsache. Sie kommen nicht hier raus. Die Fragen, die Sie gestellt haben, hat noch niemand an mich herangetragen. Sie wissen mehr, als Sie zugeben wollen. Aus diesem Grunde muß ich entsprechend vorsichtig sein.«
»Weshalb? Haben Sie ein schlechtes Gewissen?«
»Kein schlechteres als Sie. Aber in meinem Laden laufen nun einmal Fäden zusammen, die für andere wichtig sind. Und einen zweiten Fehler kann ich mir nicht erlauben.«
»Sie geben Fehler zu?«
»Ja, einen. Ich hätte das Bild nicht verkaufen sollen. Aber ich brauchte Geld, und da habe ich es getan. Später holte man es zurück.«
»Dann haben Sie den Mord in Auftrag gegeben?«
»Nein, wie kommen Sie darauf? Das waren andere.«
»Und wer?«
»Sie haben sich doch hier umgesehen, unter anderem auch in meinem Büro, nicht wahr?«
»Das stimmt.«
»Ist Ihnen kein Bild aufgefallen?«
»Doch, es war verdeckt.«
»Ja, und es zeigte einen Mann namens Hector de Valois, den Sie doch auch kennen.«
»In der Tat.«
»Soll ich noch mehr sagen?«
»Ich bitte darum.«
»Gut, dieser Hector de Valois ist unser Feind gewesen. Zum Glück lebt er nicht mehr, aber du existierst noch, und das ist fast genauso schlimm, John Sinclair. Jeder von uns kennt deinen Namen und trägt ein Bild von dir bei sich. Wir wissen, mit wem wir es zu tun haben…«
»Hat euch van Akkeren die Fotos besorgt?«
»Ja. Dann weißt du sicherlich, zu wem ich gehöre!«
»Ja, zur Baphomet-Gruppe.«
»Genau. Sie hat sich seit der Abspaltung gehalten. Durch die Jahrhunderte hinweg, oft zurückgedrängt, aber nie vergessen. Gerade jetzt ist es wichtig für uns, daß wir wieder an die Herrschaft kommen. Überall in der Welt sind wir aktiv. Wir bauen Baphomet Tempel, um ihm zu huldigen. Wir sind die echten Templer.«
»Und die anderen?« fragte ich. »Ihnen wird doch sicherlich der Name Abbé Bloch etwas sagen?«
»Das stimmt.«
»Er steht auf meiner Seite…«
Wieder lachte Bilder-Franz. »Was bedeutet das
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