0424 - Das lebende Bild
furchtbar. Er wollte einfach kein Ende nehmen.
Der Oberkommissar hatte nicht in der Innenstadt gewohnt, sondern ein wenig außerhalb, nördlich der Burg, wo es auch zum Flughafen ging. Auf der Höhe lag noch mehr Schnee, aber der mit Winterreifen ausgerüstete Manta schaffte auch diese Strecke.
Neben einem hohen Schneehaufen hatte der Kommissar seinen Wagen abgestellt. Es hatte zu schneien aufgehört. Die Dämmerung war angebrochen, und die Temperaturen waren weiter gefallen.
Der Schnee auf den Fahrbahnen war plattgefahren und glatt.
Oberkommissar Robert Moor hatte in einem kleinen Haus gewohnt. Ein Erbstück seiner Eltern. Er war geschieden gewesen, und seine Frau hatte nichts haben wollen. Sie war mit einem Industriellen verschwunden. Moor hatte seinen Dienst als Beamter immer gewissenhaft versehen. Mit der ruhigen Art eines Franken war er an die Fälle herangegangen und hatte die meisten von ihnen gelöst.
Der Beruf war sein Hobby gewesen, bis er nach der Scheidung auf die Idee gekommen war, Antiquitäten zu sammeln. Natürlich nicht die teuren, die waren für einen Beamten unerschwinglich, aber der Oberkommissar hatte sich ausgekannt und so einige Schnäppchen machen können.
Will Mallmann war allein. Er hatte noch kurz mit den ermittelnden Kollegen gesprochen, die sich sehr betroffen zeigten, und er hatte erfahren, daß im Haus nichts verändert worden war.
In der rechten Manteltasche des Kommissars steckte der Haustürschlüssel. Das Haus stand allein. Die Nachbarn wohnten ein Stück entfernt. Dazwischen lagen Gärten.
Kein Mensch ließ sich blicken. Nur am Ende der kleinen Straße wendete ein schneebedeckter Daimler, um rückwärts durch das offene Tor in eine Garage fahren zu können. Die Scheinwerferkegel strichen wie suchend über den Schnee.
Auf dem Haus lag eine dicke weiße Haube. Vom dunklen Dach war nur noch die Regenrinne zu erkennen. Wie lange Messer klebten die Eiszapfen daran.
Um das Grundstück betreten zu können, mußte Will ein kleines Tor aufschieben. Der Eingang lag an der linken Hausseite. Über der Tür schützte ein Dach ein kleines Treppenpodest. Auf den Stufen lag noch der in den letzten Stunden gefallene Neuschnee.
Auch die Spuren der zahlreichen Kollegen, die ein- und ausgegangen waren, konnte Will nicht mehr erkennen. Er stieg vorsichtig die Treppe hoch und hielt den Schlüssel bereits in der Hand. Er schob ihn in das Schloß, mußte ihn zweimal drehen, dann konnte er die Haustür aufstoßen.
Will betrat einen schmalen Flur. Im Haus selbst war es ziemlich kalt. Jemand hatte die Heizung abgestellt. Leise drückte der Kommissar die Tür hinter sich zu. Seine Fellmütze hatte er im Wagen gelassen. Er trug über dem Anzug den Thermomantel, ging in die kleine Diele und blieb an der untersten Treppenstufe stehen.
Es konnte Einbildung sein, aber er glaubte, Blut zu riechen.
Wieder dachte er an die gestochen scharfen Polizeifotos, die er gesehen hatte, und daran, daß auch ein Tier für die Tat verantwortlich sein konnte.
Es war klar, daß er nichts fand, dafür arbeitete die Spurensicherung einfach zu gut. Trotzdem wollte er sich im Haus umsehen.
Er fand eine Küche, eine Toilette, ein Zimmer, in dem der Kommissar Gäste untergebracht hatte. Dort standen nur ein Doppelbett, zwei Stühle und ein Kleiderschrank.
An den Fenstern sah er Eisblumen wachsen. Das erinnerte ihn wieder an seine Jugend. Früher, als es noch keine Heizungen gab, wuchsen oft Eisblumen an den Scheiben hoch, und Will konnte sich auch daran erinnern, oft mit der Zunge darüber geleckt zu haben.
Wie lange lag das schon zurück?
Der Tote war in der oberen Etage gefunden worden, und dort wollte der Kommissar hin.
Er verließ die kleine saubere Küche im Erdgeschoß und stieg die enge Treppe hoch. Man hatte früher platzsparend gebaut und die Stufen entsprechend steiler angelegt. Ein grünbeiger Teppich bedeckte sie in der Mitte.
Der Flur oben war ebenfalls schmal. Darüber befand sich noch ein Spitzbogen. Er konnte durch eine Luke betreten werden, die allerdings geschlossen war.
Mallmann sah drei Türen. Als er die erste öffnete, schaute er in das Bad. Ein viereckiger, fensterloser Raum, dessen Wände mit grünen Kacheln bedeckt waren.
Daneben, aber nur über den kleinen Flur zu erreichen, lag das Schlafzimmer. Auch dort hatten die Kollegen schon gearbeitet, aber im Prinzip alles so gelassen, wie es gewesen war. Will schaute auf das zerwühlte Bett. Robert Moor war in der Nacht ermordet worden. Irgend
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