0426 - Gangster in feiner Gesellschaft
in der Wand.«
Rita Barnes lag auf der kurzen Couch und sah uns mit einem Gemisch aus Furcht und Neugier an. Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich. Phil nahm an dem runden Tisch Platz und legte sich sein Notizbuch zurecht.
»Wer hat auf Sie geschossen, Mrs. Barnes?«
»Ich habe den Mann nicht gesehen.«
»Aber Sie wissen, dass es ein Mann war?«
»So viel sieht man doch.«
»Haben Sie eine Ahnung, warum man auf Sie geschossen hat?«
»Nein.« Sie wollte den Mann decken, obwohl er sie angeschossen hatte. Vielleicht steckte sie selbst so tief in der Sache, dass sie die Wahrheit nicht sagen konnte.
»Warum sind Sie in dieses Hotel gezogen?«
»Ich hatte solche Angst. Nach all dem, was passiert ist!«
»Wer hat aus dem zweiten Glas getrunken?« Ich wies auf den Tisch.
»Ich… Es… Muss ich diese Frage beantworten?«
»Sie brauchen mir überhaupt nicht zu antworten«, belehrte ich sie. »Aber Sie können nicht verhindern, dass ich auch aus Ihrem Schweigen Schlüsse ziehe.«
Rita Barnes setzte sich auf, stellte ihren verbundenen Fuß vorsichtig auf den Boden und zerknüllte ihr Taschentuch in den zitternden Händen.
»Ich will Ihnen helfen, Mrs. Barnes. Man hat Ihnen den Rat gegeben, sich in diesem Hotel zu verstecken, bis die Sache vorüber wäre. War es Renner?«
Sie nickte.
»Gut. Am Riverside Drive gab es Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Sie wurden ausgelöst durch Ihren Stiefsohn Jeff, der nicht mehr mit dem auskam, was Sie, Mammie, oder Ihr Mann ihm heimlich zukommen ließen. Jeff war inzwischen rauschgiftsüchtig geworden. Er war nicht mehr zufrieden mit dem, was man ihm freiwillig gab, das reichte nicht mehr aus, sich die teuren Spritzen zu kaufen. Er wurde zum Dieb und Erpresser. Sie unterließen es, zur Polizei zu gehen, als er das erste Mal einbrach. Aber dann brachte er einen Komplizen mit, Alfons Girardet. Ihr Mann erschoss ihn, um Jeff deutlich zu machen, dass er zu weit ginge. War es so?«
»Im Großen und Ganzen, ja. Ob Francis den Einbrecher absichtlich erschossen hat, weiß ich nicht. Aber er sprach einmal davon, dass er es dem Jungen zeigen würde.«
»Von wem hat Ihr Mann das Halsband gekauft?«
»Ich weiß nichts von einem Halsband.«
»Weiß Renner etwas davon?«
Sie zögerte mit der Antwort.
»Sonst hätte er Sie nicht mit der Waffe bedroht«, sagte ich. »Sie und er wussten vielleicht am Anfang nichts davon, Am Anfang ging es nur darum, dass Jeff sich anschickte, einen Skandal heraufzubeschwören. Wie heißen Sie eigentlich mit Ihrem Mädchennamen?«
»Renner. Als Choristin und auch später, als Francis mich kennenlernte, nannte ich mich Rita Radek.«
»Gus Renner ist also Ihr Bruder?«
Sie drehte sich zur Wand hin und schluchzte in ihr Taschentuch. »Niemand im Haus hat es gewusst.«
»Und warum hat er jetzt auf Sie geschossen?«
»Er war auch hinter dem Halsband her. Er war ganz verrückt nach so viel Geld. Gus dachte, Jeff hätte es mir zur Aufbewahrung übergeben. Ich sagte ihm, dass ich von dem Schmuck noch viel weniger Ahnung hätte als er. Plötzlich wurde er furchtbar wütend…«
Sie war am Ende ihrer Kräfte.
»Noch eine Frage«, sagte ich. »Kannten Sie Sid Buckany von früher?«
»Nein, Agent Cotton. Es war sicher ein Zufall, dass er ausgerechnet in unser Haus kam, um sich vor der Polizei zu verkriechen. Ich glaube auch nicht, dass Gus ihn kannte, obwohl er genug zweifelhafte Bekanntschaften hat.«
Ich rief den Portier an und bat ihn, mich mit dem Headquarter zu verbinden. Wir durften Rita Barnes nicht mehr allein lassen. Außerdem musste das Zimmer durchsucht werden. Vielleicht hatte sie auch ihrem Bruder nicht die Wahrheit gesagt, wer konnte das wissen.
»Warum haben Sie Ihrem Mann verheimlicht, dass Renner Ihr Bruder ist?«, fragte ich die Frau.
»Gus wollte es so.«
»Er dachte, man könnte einen ahnungslosen Barnes leichter übers Ohr hauen?«
Sie nickte.
Wir gingen, als unsere Kollegen eintrafen.
***
Francis Barnes stieg vor dem Gebäude der Barnes Furniture Co. aus dem Taxi. Vor zehn Jahren etwa hatte er die Firma gegründet, und sie hatte sich in dieser Zeit einen beachtlichen Namen in der Branche erworben. Er ging die Stufen zu dem Haupteingang hinauf und schloss mit einem flachen Schlüssel die Glastür auf. In der Kabine des Nachtwächters brannte auf einem Tisch eine schwache Lampe, die den Glaskäfig wie ein von hinten erleuchtetes Aquarium aussehen ließ. Benston, ein Mann, der in Korea, einen Arm verloren hatte, kam
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