0427 - Sie entführten ihren Killer
eine Zeit lang überhaupt nicht singt, dann würde er noch ein Jahr oder sogar mehr aushalten können. Wenn er aber weiter diese Marathonaufnahmen machen würde, bei denen er das Letzte hergeben musste, dann würde er vielleicht schon in ein paar Wochen plötzlich nicht mehr singen, und mehr als das, kaum noch sprechen können. Ich sagte ihm, dass seine Stimmbänder schon angegriffen seien und plötzlich versagen könnten. Ich wollte ihn dazu bringen, sich zu schonen, aber anscheinend erreichte ich das Gegenteil. Er wurde halb verrückt vor Angst.«
»Was sagte er?«
»Er hat mir von seiner Jugend erzählt, von der Gangsterbande, deren Mitglied er war, dass er heute nichts mehr davon wissen wollte.«
»Wusste er etwas über die Bande, vielleicht über ihren Chef?«
»Ja, er kannte den Chef, und er wusste, dass mit der Schallplattenfirma nicht alles stimmte, dass sie nur Aushängeschild war.«
»Und dann kam Hadley zu Ihnen und bot Ihnen Geld an?«
»Ja, er quetschte die Wahrheit aus mir heraus, sagte, dass niemand erfahren dürfe, dass Collin krank sei, und ergab mir Geld und schickte mich nach Florida! Ich hätte nie einwilligen dürfen.«
»Sagte Collin nichts von einem zurückliegenden Mord der Bande? Und was haben Sie Miss Hackett am Flugplatz zugesteckt?«
»Einen genauen Bericht über alles. Ich bekam ein Telegramm in Lake Worth, in dem stand, Collin sei tot, und ich sollte mit der nächsten Maschine kommen. Das Flugticket lag schon bei. Da fiel bei mir endlich der Groschen. Ich schrieb alles auf und telegrafierte Miss Hackett, weil ich ihr trauen konnte. Mein Gott, sie wird sterben, wenn sie nicht in eine Klinik kommt. Das Gift hat sie schon zu sehr angegriffen!«
Er richtete sich auf. Sein Gesicht war unter der Sonnenbräune fahl. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, seine Hände zitterten.
»Sie ist immer noch bewusstlos! Wir brauchen Hilfe!«
Ich schwieg. Ich musste überlegen.
»Das Wasser ist der einzige Weg!«
»Das Wasser?«
»Ich werde zurück ans Festland schwimmen!«
»Aber das ist doch Wahnsinn, bei dem Öl!«
»Es ist vor allem am Ufer. Ich werde tauchen!«, beruhigte ich ihn.
Er starrte mich entgeistert an. »Das können Sie nicht!«
Ich lief um die Insel herum, um eine Stelle zu finden, wo der Strand nicht so flach war, dass ich unter der dicken Ölschicht durchtauchen konnte. Ich fand eine winzig kleine Bucht, in der der Boden fester wurde und ziemlich steil abfiel. Ich beugte mich vor und versuchte, die Wasseroberfläche zu erkennen. Die Ölschicht war auf dieser Seite nicht zusammenhängend. Ich riss einen halben Busch aus und schaffte mir einen kleinen Platz, der für einen Moment frei blieb. Dann ließ ich mich in das Wasser gleiten.
Ich hatte eine weite Strecke vor mir. Vor allem, weil ich nicht flach schwimmen konnte, um meine Haut vor dem Öl zu schützen. Wenn meine Poren verklebten, erreichte ich das Festland nicht mehr.
Ich schwamm‘unter Wasser hinaus, bis ich glaubte, den Ölgürtel, der überall, wo Land aus dem Wasser ragte, angeschwemmt wurde, untertaucht zu haben. Dann ging ich vorsichtighöher, hob zuerst eine Hand und tauchte dann ganz auf. Das Wasser war hier fast frei. Ich konnte von hier unten die Ölflecken sehen, sie bildeten trübe Inseln, manchmal nur handgroß, manchmal weit verzweigt wie ein Netz. Ich suchte mir eine einigermaßen freie Strecke und schwamm dann so schnell ich konnte auf die Lichter zu, die mir die nächsten schienen.
***
Nach meiner Schätzung musste es ein Zipfel von Inwood sein. Und da der Wind meistens vom offenen Ozean kam, konnte ich auch hoffen, am Ufer auf einen weniger breiten Ölstreifen zu stoßen.
Einmal blickte ich zurück und stellte fest, dass ich nur ein winziges Stück geschwommen war. Mein Hals schmerzte, das Atmen fiel mir schwer, und mein leerer Magen ließ keine großen Kraftanstrengungen zu. Ich legte mich auf den Rücken, um neue Kraft zu schöpfen. Dann fühlte ich ein kaltes, glattes Etwas an meinem Hals. Ich versuchte, zu stoppen, aber schon im nächsten Moment waren mein Hals und mein Kinn mit einer schmierigen schwarzen Paste verklebt. Ich versuchte, das Zeug wegzuwischen, aber meine Hände glitten ab und verklebten auch.
Im nächsten Moment waren meine Haare von einem Ölschleier eingefangen. Ich gab den Kampf auf und passte nur noch auf, dass ich mit meinen Kräften gut haushielt. Allmählich wichen die Nachwirkungen der Vergiftung, und ich konnte immer zügiger schwimmen. Ich drehte mich um und
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