0428 - Jiri, der Flammenteufel
sah man in diesem Komplex kaum. Die Straßen waren einfach zu schmal. Wer einen Wagen besaß, parkte ihn woanders.
Natürlich hatte sich die Entdeckung der beiden Frauen herumgesprochen und auch der Mut der Männer. Goran und Bogdan wurden einige Male angesprochen. Die Frauen waren in den Häusern geblieben. Die Männer standen in den Türen oder schauten aus den schmalen Fenstern, die bei manchen Bauten kaum größer als die Schießscharten in den Pulvertürmen waren.
Es war ein düsterer Abend. Die Berge lagen längst im Schatten der Finsternis. Auf halber Höhe brannten noch vereinzelt Lichter. Da hatten sich einige Leute aus der Innenstadt Häuser gebaut und auch Wege anlegen lassen.
Das konnten sich nur die Parteibonzen erlauben, der einfache Mann lebte da bescheidener.
Eine flüsternde Stimme erreichte die Ohren der Brüder. Gleichzeitig sahen sie vor sich eine Hand. Sie war aus einem schmalen Spalt erschienen und hielt eine Schnapsflasche umklammert, doch die Männer lehnten ab. Sie wollten sich nicht benebeln und müde werden.
Die Brücke hatte man aus grauen, schweren Steinen errichtet. Ein Meisterwerk ihrer Erbauer, das die langen Jahrhunderte fast schadlos überstanden hatte. Sogar der hoch angesetzte Brückenbogen war noch vollständig erhalten, und der Pfad über die Brücke zeichnete den Bogen genau nach. Rechts und links befanden sich die Mauern aus schweren Steinen. Kinder konnten kaum hinüberschauen. Bei den Erwachsenen reichte die Brüstung bis weit über die Hüften.
Jeweils an einer Seite standen die beiden Pulvertürme. Wenn sie hätten erzählen können, wäre das Grauen vollkommen gewesen. Die Türme hatten schon Fürchterliches erlebt. Gefangene waren dort gefoltert und getötet worden. Aber auch als Verteidigungsposten hatten sie ihre Pflicht erfüllt. Es war den Besetzern gelungen, manchen fremden Angriff abzuwehren.
Die Türme waren viereckig gebaut worden, und sie ragten wie kantige Finger in die Höhe. Dächer hatten sie ebenfalls. Relativ flach, mit einer nur leichten Schräge.
Ein Fuhrwerk kam den Männern entgegen. Zwei Pferde zogen den alten Karren. Er war mit allerlei Krimskrams beladen, unter anderem Haushaltsgeräten, die in Mostar verkauft wurden.
Ein alter Mann zog jeden Morgen los, um die Waren loszuwerden.
Manchmal hatte er Glück und verkaufte etwas. Als er die beiden Brüder sah, hielt er seine Gäule an.
»Na«, fragte er, »wollt ihr auf euren Posten?«
»Das weißt du auch schon?«
Der Alte lachte kichernd. »Es spricht sich alles herum. Ihr sucht den Feuermann.«
»Aber du hast ihn nicht gesehen?«
»Nein.«
»Dann weißt du auch nichts über ihn«, sagte Goran.
Der Alte hob die Hand, winkte ab und beugte sich gleichzeitig so weit vor, daß die Männer seinen Schnapsatem riechen konnten. »So etwas dürft ihr nicht sagen, Freunde. Ich weiß oft mehr als die anderen, weil ich ja in der Gegend herumkomme.«
»Und was weißt du?«
»Dieser Feuermann kann nur aus dem Grab gekommen sein.«
»Eine Moderleiche, wie?«
»Ja.«
Bogdan tippte gegen seine Stirn. »Hör auf, Alter, das glaubt dir doch keiner!«
Der Mann war beleidigt, schnalzte mit der Zunge, und die beiden Gäule zogen wieder an.
»So ein Blödmann«, schimpfte Bogdan. »Was der mit seinen komischen Leichen hat.«
»Er sucht eben nach einer Erklärung.«
»Wir auch.«
Sie hatten nur noch ein paar Schritte zu gehen. Unter ihnen schäumte das Wasser. Der Fluß rauschte stark. Er hatte aus den Bergen durch die Schneeschmelze Nachschub erhalten und sein Bett aus diesem Grunde ein wenig verbreitert, so daß die meisten Ufersteine unter den schnell laufenden Fluten verschwunden waren.
Die beiden Pulvertürme standen nicht allein. Man hatte Häuser in ihre Nähe gebaut, sogar ein Stall war an den Turm gebaut worden. In ihm standen Kühe.
Der Weg schlug hinter der Brücke einen Bogen und lief dann auf den Friedhof zu. Vom Ende der Brücke aus war seine Bepflanzung zu sehen.
Die alten, hohen Bäume, deren Geäst sich kuppelartig über die Gräber wölbten.
Ein Teil des Friedhofs wuchs in den Berghang hinein. Da lagen die Soldaten, die im letzten Weltkrieg gefallen waren. Unter anderen auch Deutsche, die von Partisanen getötet worden waren.
Die Turmtür hatte man im Laufe der Zeit mehrmals auswechseln müssen. Irgend jemand war es schließlich leid gewesen und hatte den Eingang durch eine Blechtür verrammelt. Sie schleifte stets über den Boden, wenn sie aufgestoßen wurde.
So auch jetzt,
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