0428 - Jiri, der Flammenteufel
sehr vorsichtig ihre Schritte. Sie wollten nicht unbedingt gehört werden. Ohne sich über ein Ziel abgesprochen zu haben, näherten sie sich dem Teil des Totenackers, wo die Kreuzritter seit Jahrhunderten in der kalten Erde lagen.
Vorbei an großen Baumstämmen schlichen sie. Das noch blattlose Geäst bildete über ihren Köpfen Dächer, die ineinander übergingen.
Unkraut hatte seinen Weg an die Oberfläche gefunden. Vermischt mit dem Gras bildete es einen weichen Teppich.
Ein hoher, kantiger Grabstein stand schief im Boden, war aber noch so groß, daß beide Brüder Deckung hinter ihm finden konnten. Und die brauchten sie auch, denn nicht weit von ihnen entfernt, genau dort, wo die Grabstätten der alten Kreuzritter lagen, stand die unheimliche dunkle Gestalt.
Der Flammenmann.
Er tat noch nichts, starrte zu Boden und wollte den alten Leichen gedanklich befehlen, endlich aus der Erde zu steigen und ihn zu begrüßen.
An den beiden verschiedenen Seiten des Grabsteins vorbei blickten die beiden Brüder zu der Gestalt hinüber. Sie beobachteten stumm. Ein jeder wußte, daß etwas geschehen mußte.
Feuer sahen sie nicht.
Bis der andere plötzlich seine rechte Hand drehte…
Eine kleine Flamme entstand aus dem Nichts…
***
Goran begann zu zittern, und genau so hörte sich auch seine Stimme an. »Das ist doch nicht möglich. Die… die Frauen hatten recht. Der kann aus seinen Fingern Flammen holen…«
»Sei ruhig!« Bogdan dachte realistischer. Er konnte sich vorstellen, daß sie erst am Beginn eines unheimlichen Vorgangs standen, und er sollte recht behalten.
Die beiden Zeugen erlebten etwas Ungeheuerliches mit, für das sie keine Erklärung wußten.
Der Flammenmensch ließ sich nicht stören. Er stand am Rand des Kreuzrittergrabes und bewegte auch die restlichen Finger seiner Hände, die noch normal waren.
Bis sie aus einer gebogenen Haltung in die Höhe schnellten.
Da entstanden die Flammen!
Feuerzungen, die in die Höhe schnellten, zuckten und tanzten, als wären sie an den Kuppen festgeleimt worden. Der Mann breitete seine Arme aus und bewegte die Hände kreisförmig, so daß er regelrechte Flammenräder in die Finsternis zeichnete.
Es sah aus wie ein magisches Ritual.
Sehr gleichmäßig bewegte der Unheimliche seine Arme, aber er drehte sie auch in verschiedene Richtungen, was ungemein schwer war.
Die einzelnen Flammen folgten diesen Bewegungen. Sie zeichneten die Richtung als gekrümmte Feuerzungen nach, so daß sie untereinander in Verbindung traten und die beiden Feuerräder in der Finsternis standen.
Die Brüder vergaßen allmählich ihre Angst. Sie waren von der Szene einfach fasziniert. So etwas hätten sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht auszumalen gewagt. Die Welt steckte noch voller Geheimnisse, und eines davon schien der ihnen unbekannte Mann jetzt lüften zu wollen.
Das Feuer erhellte auch seine unmittelbare Umgebung. Ein geisterhafter, unruhiger Widerschein strich über den Boden und die nebenan liegenden Grabsteine, auf die es einen Widerschein aus Hell und Dunkel malte.
Bisher hatten die Leichen der Kreuzritter in absoluter Ruhe in der kalten Friedhofserde die Jahrhunderte gelegen. Gestalten, die längst vermodert waren. Alte Überlieferungen erzählten, daß einige von ihnen, die nicht ausgeplündert worden waren, mit ihren Rüstungen in die Gräber geschleudert worden waren.
Die Türken hatten gegen sie schreckliche Kämpfe ausgetragen. Gnade und Rücksicht kannte man damals nicht. Viele Muselmanen hatten ihr Leben verloren. Sie lagen nicht auf diesem Friedhof. Die überlebenden Soldaten hatten die Toten mitgenommen, um ihnen ein ihrem Glauben entsprechendes Begräbnis zu geben.
Goran hatte sich wieder gefangen. Er sah seinen Bruder an. Vor Furcht war er ins Schwitzen geraten. »Verstehst du das?«
»Noch nicht.«
»Er müßte doch verbrennen.«
»Vielleicht ist er etwas Besonderes.«
Goran verzog das Gesicht. »Ein besonderer Mensch. Ja, es gibt so welche, aber einer, der Feuer produzieren kann, habe ich noch nicht gesehen. Das ist ja kein Flammenschlucker wie im Zirkus. Der ist anders, Bogdan.«
»Ich weiß, aber sei endlich ruhig.«
Goran ließ sich nicht den Mund verbieten. »Am liebsten würde ich ihn löschen«, sagte er. »In den Fluß werfen und…« Der Mann verstummte, denn die Gestalt hatte ihre kreisförmigen Bewegungen beendet.
Sie stand noch auf demselben Fleck, nur hingen ihre Arme jetzt zu beiden Seiten des Körpers nach unten, und die Flammen
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