0429 - Höllenfahrt der Templerkutsche
Jane zählte nach und kam auf acht Gräber.
»Wer liegt hier begraben?« fragte sie.
»Templer!« lautete die leise Antwort.
»Nur Templer?«
»Nein, vier davon haben nicht zu dem Orden gehört. Sie liegen schon seit Jahrhunderten hier. Jane, Sie stehen dicht an der Geschichte Englands, die stark von den Templerrittern beeinflußt worden ist. Sie waren immer auf der Suche, nachdem sie das Grab in Jerusalem verteidigt hatten. Sie wollten suchen und finden…«
»Was denn?«
Van Akkeren beugte sich vor, so daß seine Lippen fast Janes Ohr berührten. »Das größte Geheimnis der Welt…«
»Darunter kann ich mir nichts vorstellen.«
Der Mann atmete tief ein. »Es ist der Gral…«
»Aha.«
»Sie kennen ihn?«
»Ja, ich kenne die Gralsgeschichte. Der Gral ist die Schale, in der einst das Blut des Gekreuzigten aufgefangen wurde. So steht es in der Legende geschrieben, so wurde es berichtet, und Richard Wagner schrieb seine Oper darüber.«
»Das ist die eine Seite der Geschichte. Aber, so ist es im Kreislauf der Welt nun einmal, hat jedes Ding zwei Seiten. Du verstehst?«
»Nicht genau.«
Van Akkeren schüttelte den Kopf. »Das macht nichts, Jane. Du brauchst es auch nicht zu verstehen. Sei aber gewiß, daß unter den steinernen Grabplatten diejenigen liegen, die vor 900 Jahren schon nach Jerusalem zogen, um das Heilige Grab zu verteidigen.«
Es fiel der ehemaligen Hexe schwer, sich aus dem Bann zu lösen. Ganz schaffte sie es nicht, die Beklemmung abzuschütteln. Als sie drei Schritte zur Seite ging und zwischen zwei Gräbern stehenblieb, ließ der andere sie gewähren.
Jane blickte hoch zur Decke, die sich über ihr wölbte. Auch dieses kuppelartige Gebilde war bemalt, aber die Motive konnte sie bei dem schlechten Licht nicht erkennen.
Für einen Moment schloß sie die Augen und hatte das Gefühl, hinwegschweben zu müssen. Van Akkeren merkte dies. Er ging wieder zu ihr.
Jeder Schritt war genau zu hören.
»Was haben Sie?«
»Nun, ich denke, daß ich jetzt genug gesehen habe. Kompliment an Sie, wenn Sie es geschafft haben, den Tempel so hervorragend zu renovieren.«
»Nein, ich fange erst an.«
»Aber hier ist alles in Ordnung.«
»Das sieht nur auf den ersten Blick so aus. Tatsächlich aber muß man schon genau hinschauen, um gewisse Dinge erkennen zu können, und ich möchte auch nicht, daß Sie schon gehen, denn ich habe Ihnen noch nicht alles gezeigt.«
»Weitere Gräber?«
Van Akkeren begann zu lachen.
»Nein, das nicht. Ich habe bemerkt, daß Sie sich davor fürchten. Dieser Tempel birgt noch ein anderes Geheimnis, und ihm werde ich auf die Spur kommen.«
»Was ist es denn?« fragte Jane. Sie blickte van Akkeren dabei an, der so stand, daß ein Teil seines Gesichts im Schatten lag und sich über seine Züge ein düsterer Schleier ausgebreitet hatte.
»Es ist ein Siegel.«
Jane nickte, obwohl sie das Gegenteil sagte. »Welches Siegel? Es gibt viele.«
»Aber nur eines der Templer.«
»Und das haben Sie gesehen?«
»Ja und nein. Ich habe hier im Tempel eine Offenbarung gelesen, und ich weiß, daß jemand kommen wird, um mir das Siegel zu bringen. Erst wenn es hier an Ort und Stelle ist, wo es hingehört, kann der Schatten einer langen Vergangenheit gelüftet werden.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Der Dunkle Gral ist es.«
»Der durch das Siegel der Templer sein Geheimnis preisgeben wird?«
Van Akkeren nickte. »So steht es geschrieben.«
»Wo?«
»Hier im Innenraum.«
Jane Collins kam sich plötzlich vor wie damals, als sie noch Detektivin gewesen war. Da hatte sie auch das gleiche Fieber gespürt wie in diesem Fall.
Jagdfieber…
Sie dachte wieder an John Sinclair und dessen Erzählungen. Auch er war hinter dem Geheimnis der Templer und des Dunklen Grals her, und dies schon eine ganze Weile.
Bisher war es ihm nicht gelungen, einen großen Erfolg zu erringen.
Sollte ihr das jetzt möglich sein?
Auch van Akkeren hatte festgestellt, daß Jane plötzlich neugierig geworden war. »Haben Sie Ihre Furcht verloren?«
»Ein wenig.«
»Ich zeige Ihnen das Siegel.«
Jane sah das Glitzern in seinen Augen und wurde das Gefühl nicht los, daß dieser Mensch noch einen Trumpf in der Hinterhand hielt, aber erst später damit herausrücken wollte.
»Ist es hier?«
»Natürlich - im Tempel.« Er sprach leise und irgendwie weich, dennoch war er sehr aufmerksam. »Ich werde Sie führen und es Ihnen zeigen. Sie brauchen sich nicht zu fürchten.«
»Das werde ich nicht. Wenn Sie mich
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