0429 - In der Monsterhöhle
erlebt, das Ihnen niemand so richtig glauben kann… Sie sollten es mir erzählen. Vielleicht finden wir eine Lösung.«
Carla preßte die Lippen zusammen. »Woher wissen Sie davon?«
»Das erzähle ich Ihnen vielleicht später«, wich die Fremde aus. »Sonst glauben am Ende Sie mir nicht.«
Carla mißtraute der Fremden. Auf der einen Seite wollte sie nach jedem Strohhalm greifen, auf der anderen hatte sie gestern so viele unmögliche Dinge erlebt, die alle negativ verlaufen waren, daß sie dieser weiteren Unmöglichkeit nichts Gutes zuschreiben konnte.
»Ein Reich unter der Erde… die Welt der Zwerge und Berggeister«, sagte die Fremde. »Was ist wirklich passiert? Ich weiß zu wenig.«
Carlas Augen wurden groß. Das waren doch die Dinge, die sie gedacht hatte. Sie hatte mit niemandem darüber gesprochen! »Woher - woher wissen Sie davon? Lesen Sie meine Gedanken, strega ?« Unwillkürlich wich sie ein paar Schritte zurück, kam vom Gehsteig auf die Straße und machte wieder einen Sprung nach vorn, als unmittelbar neben ihr ein gellender Hupton schrillte. Fast wäre sie von einem Auto niedergefahren worden.
Die Fremde mit dem französischen Namen schüttelte den Kopf.
»Eine Hexe bin ich nicht, Signorina, aber ich habe trotzdem Erfahrungen mit dem Übersinnlichen und dem Unglaublichen machen können. Wollen Sie mir nicht vertrauen?«
»Ich muß zum Zug«, wich Carla aus. Sie wollte wieder hinausfahren und sich alles noch einmal bei Tageslicht ansehen. Es wollte ihr nicht in den Kopf, daß die Höhle einfach verschwunden war. So verschwunden wie Francesca, Tina und Rico! Und außerdem waren ihre Sachen noch dort draußen, und jemand mußte den Fiat Uno aus dem Wasser ziehen… Das alles wollte sie im Laufe des Nachmittags erledigen. Aber wenn sie jetzt den Zug verpaßte, konnte sie erst wieder am Spätnachmittag fahren. Innerhalb Roms verlief der S-Bahn-Takt im Zehn-Minuten- oder schlimmstenfalls im Viertelstunden-Rhythmus. Aber wer aufs Land hinaus wollte, stand vor dem gleichen Problem wie in nahezu jeder großen Stadt - die meisten Pendler benutzten ihre Autos, so daß keine Nachfrage nach den zudem meistens auch noch zu teuren öffentlichen Verkehrsmitteln bestand. Und wo niemand mit der Bahn fahren wollte, bot die Bahn auch keine Züge an…
»Ich kann Sie auch zu der Höhle fahren«, bot die Fremde an. »Dann sind Sie erstens nicht von den Abfahrtszeiten der ›S‹ abhängig, und zweitens hält der Zug ja wohl kaum unmittelbar an Ihrem Ziel…«
Carla schluckte. Die Fremde wurde ihr langsam unheimlich durch ihr Wissen!
Da lachte Nicole Duval leise. »Daß ich Ihnen unheimlich werde, tut mir wirklich leid, weil das nicht in meiner Absicht liegt, aber Sie gehören zu den wenigen Menschen, deren Gedanken wie ein aufgeschlagenes Buch vor mir liegen… Wollen Sie es mir nicht ersparen, mir aus ihren Gedankenfragmenten die Fakten zusammenreimen zu müssen? Es wäre mir lieber, wenn ich mich Ihnen nicht so aufdrängen müßte…«
Das war es wirklich. Carla empfand die Fremde als aufdringlich, aber plötzlich fand sie diese Aufdringlichkeit nicht mehr so schlimm, wie sie zunächst gewirkt hatte. Diese Nicole Duval hatte ihr gerade ein paar Kostproben ihres Könnens geliefert, und vielleicht fand sie tatsächlich eine Möglichkeit, zu helfen…
»Also gut«, sagte Carla. Auf einen Reinfall mehr kam es jetzt auch nicht mehr an. »Ich nehme Ihr Angebot an.«
***
Ted Ewigk schritt langsam in die fremde Umgebung hinein. Er war maßlos überrascht. Mit seinem Getränkekeller hatte dies hier nicht mehr die geringste Ähnlichkeit. Er war in eine andere Welt geraten!
Es war unglaublich. Konnte das noch Zufall sein, daß er immer wieder an magische oder sonstwie ungewöhnliche Dinge geriet? Damals das Spukhaus, dessen Besitzer er fast geworden wäre, und jetzt dieser Keller der kein Keller war…
Nein, verbesserte Ted sich in Gedanken. Es war schon ein ganz normaler Keller, aber die Tür, durch die man ihn betreten konnte, öffnete sich gleichzeitig auch noch in einen anderen Bereich.
Aber wie wurde das jeweils ausgelöst? Und wo befand Ted sich jetzt?
Er vergewisserte sich, daß die Schiebetür immer noch hinter ihm erreichbar war. Sie sah jetzt nur ein wenig anders aus als von der Außenseite. Aber immerhin war ihm der Rückzug nicht abgeschnitten.
Diese Schiebetür… bisher hatte er sie immer nach links geschoben, vermutlich, weil er mit der rechten Hand zuzugreifen pflegte und hinter die Kante faßte.
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