043 - Das Geheimnis der Schattenhand
bewegte das Bein hin und her. »Nichts kaputtgegangen«, sagte sie und versuchte zu lächeln. »Warum muß ich in meinem Alter auch noch Radfahren? Ich habe es nie gut gekonnt.«
»Es tut mir leid, daß ich…«
»Sie trifft keine Schuld«, fiel mir die Frau ins Wort. »Ich kann mir das Kurvenschneiden einfach nicht abgewöhnen. Es war eigentlich ganz klar, daß das einmal schiefgehen mußte. Ein Glück, daß die Sache so glimpflich abging.«
Sie sagte, sie würde nie mehr auf ein Fahrrad steigen, sie habe ein für allemal genug davon. Als ich hörte, daß sie das Rad nach Hause schieben wollte, sagte ich: »Ich bringe Sie mit dem Wagen heim.«
»Das ist wirklich nicht nötig. Es sind zu Fuß nicht einmal fünf Minuten.«
»Ich bestehe darauf, Ihnen diesen Dienst erweisen zu dürfen«, sagte ich energisch.
»Also gut, wenn Sie es sich nicht nehmen lassen…« Die Frau warf einen Blick auf das polizeiliche Kennzeichen des Rovers. »Eine Wiener Nummer«, stellte sie fest. »Aber Sie sind kein Wiener, das hört man an der Aussprache.«
»Der Wagen gehört meinem Freund. Rodensky-Brillen.«
»Kenne ich.«
»Das ist er. Vladek Rodensky. Und mein Name ist Tony Ballard. Ich bin in London zu Hause.«
»Ich heiße Hilde Zillinger«, sagte die Frau und erwähnte, daß sie in Grinzing ein Heurigenlokal hatte.
Ich hob ihr Fahrrad auf. Es war nur die Lenkstange verdreht. Ich richtete sie gerade und überquerte mit Hilde Zillinger die Straße. Es war eine Freude für mich, zu sehen, daß sie nicht mehr humpelte.
Nachdem sie eingestiegen war, verstaute ich ihr Rad im Kofferraum, dessen Deckel ich offenlassen mußte. Dann schwang ich mich hinter das Lenkrad, wendete und fuhr den Berg wieder hinunter.
Die Frau forderte mich auf, mit in ihr Lokal zu kommen. »Es ist zwar noch geschlossen, aber in Ihrem Fall mache ich gern eine Ausnahme, Herr Ballard.«
»Tut mir leid«, entgegnete ich. »Ich komme ein andermal auf Ihre Einladung zurück, im Moment habe ich aber keine Zeit.«
»Ein Rendezvous?« fragte Hilde Zillinger.
Ja, vielleicht ein Rendezvous mit dem Tod! dachte ich, hob das Fahrrad vor dem Heurigenlokal aus dem Kofferraum und lehnte es an die Mauer des netten alten Hauses.
»Nein«, antwortete ich. »Kein Rendezvous.« Mein besorgter Blick tastete sie ab. »Ist wirklich alles in Ordnung?«
Sie lächelte. »Ein paar blaue Flecken werden mich noch eine Weile daran erinnern, auf was für eine ungewöhnliche Weise wir miteinander Bekanntschaft gemacht haben.«
»Vielleicht schaue ich auf dem Rückweg bei Ihnen rein«, sagte ich.
»Ich bin eine unwahrscheinlich neugierige Frau. Darf ich fragen, wohin sie fahren?«
»Auf den Kobenzl.«
Ihre Miene verdüsterte sich, und sie erzählte mir eine unheimliche Geschichte von der leerstehenden Restaurant-Bar. Sie riet mir, diesem Gebäude fernzubleiben, denn es spuke in ihm.
»Woher haben Sie das?« fragte ich die Heurigenwirtin überrascht.
Sie zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt, ich bin eine sehr neugierige Frau, die immer alles wissen will. Und wer viel fragt, bekommt viele Antworten.«
Die Zeitungen hatten nichts über Otto Baumanns tragischen Tod berichtet. Dennoch wußte Hilde Zillinger davon, und sie konnte mir sogar sagen, auf welche grauenvolle Weise der Mann sein Leben verloren hatte.
Wer ihr das verraten hatte, behielt sie für sich. Ich konnte mir nur vorstellen, daß einer der Polizisten noch gestern nacht in ihrem Lokal gewesen war und nicht dichtgehalten hatte.
»Also bleiben Sie diesem Gebäude fern, Herr Ballard«, riet mir die Heurigenwirtin, und ich sagte, daß ich mir ihren Rat zu Herzen nehmen würde. Daß ich mich daran nicht zu halten gedachte, war eine andere Sache.
Ich stieg wieder in den Rover, wendete abermals und fuhr die Straße noch einmal hoch. Diesmal schenkte ich den Kurven größere Beachtung, aber das wäre nicht nötig gewesen, denn es war unwahrscheinlich, daß mir das gleiche Mißgeschick noch einmal passierte.
***
»Da wären wir wieder«, sagte Ernst Mrozek und schlüpfte durch das Loch in der Mauer. Heute gab es kein Geräusch, das sie ängstigte.
Mrozek trat zur Seite, damit ihm Jure folgen konnte. Er strahlte den Freund mit der Taschenlampe an und lachte. »Du hast das Kreuz schon in der Hand?«
»Wozu haben wir sie gekauft, wenn wir sie nicht benützen?«
»Wenn ein größerer Feigling als du auf die Welt kommt, mußt du sterben«, sagte Mrozek spöttisch. »Aber keine Sorge, du wirst bestimmt steinalt.«
Es war
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