043 - Das Geheimnis der Schattenhand
sagten zu.«
»Mußte ich doch wohl.«
»Als Sie hier eintrafen, befand sich Baumann bereits in diesem Gebäude?«
»Ja, und er lebte nicht mehr.«
»Lag er so auf der Bank, wie wir ihn antrafen?« fragte der Kommissar.
»Nein, er kippte zur Seite, als ich ihn berührte.«
»Und Sie sind ganz sicher, daß Sie ihm nicht so lange Mund und Nase zuhielten, bis er nicht mehr lebte? Auf diese Weise starb der Reporter nämlich, wie unser Arzt feststellte.«
»Ich habe weder mit dem Mann gekämpft, noch habe ich ihn auf diese ungewöhnliche Weise umgebracht.«
»Zuerst haben Sie geschossen. Auf wen? Auf ihn? Sie scheinen kein besonders guter Schütze zu sein.«
»Wetten, daß ich besser schieße als Sie?«
»Oh, das ist kein Kunststück. Ich verabscheue Feuerwaffen… Wie lange mag es wohl gedauert haben, bis der Reporter tot war?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Ach ja, richtig, er war ja schon tot, als Sie hier hereinkamen.«
»So ist es. Und nun bekommen Sie von mir noch einen größeren Brocken zum Verdauen, Herr Kommissar! Eine schwarze Schattenhand hat dem Reporter das Leben genommen.«
»Eine Hand? Sie meinen nur eine Hand? Oder vielmehr der Schatten einer Hand?«
»Sie lag auf Baumanns Gesicht.«
»Es muß doch jemanden geben, dem diese Hand gehört.«
»Den sah ich nicht. Ich sah nur die Hand. Sie griff auch mich an. Deshalb habe ich geschossen.« Vladek Rodensky berichtete haarklein, was sich ereignet hatte. Es war unschwer zu erkennen, daß Kommissar Rohm ihm die haarsträubende Geschichte nicht abnahm.
Als der Brillenfabrikant geendet hatte, sagte Alexander Rohm: »Sie hatten Ihre Chance, Herr Rodensky, aber es gelang Ihnen nicht, mich zu überzeugen. Tut mir leid für Sie, aber ich glaube Ihnen kein Wort von dem, was Sie mir aufgetischt haben.«
»Das habe ich befürchtet.«
»Und Sie werden daher einsehen, daß ich Sie vorläufig festnehmen muß…«
***
Franz Kolesik keuchte. Der Atem wehte ihm wie eine graue Fahne aus dem Mund. Raasdorf lag hinter ihm, und nun trat er kräftig in die Pedale, um nach Hause zu kommen.
Zwölftausend Schilling hatte seine Dusika-Rennmaschine gekostet, ein Leichtlauf-Rennrad, auf das er sehr stolz war. Er hatte es heute gekauft, und obwohl es für eine erste Ausfahrt eigentlich schon zu spät gewesen war, hatte er sich auf den harten Rennsattel geschwungen und war losgefahren.
Die Jungfernrunde fiel etwas zu groß aus, deshalb war es schon ziemlich spät, als Kolesik die letzten Kilometer kurbelte. Es war ihm ein unbeschreibliches Vergnügen, mit dem neuen Rad zu fahren.
Das Peugeot-Rennrad, das er davor besessen hatte, war zwar auch nicht schlecht gewesen, doch mit den Qualitäten dieser Rennmaschine konnte es nicht mithalten.
Kolesik war 24. Ein Freizeitsportler. Er dachte nicht daran, mal an einem Straßenrennen teilzunehmen, denn er wußte, daß er mit den Assen der Landstraße unmöglich mithalten konnte.
Er hatte nicht die Zeit, so intensiv wie diese Leute zu trainieren.
Sein Job als Werbegrafiker nahm ihn ziemlich in Anspruch, und da er sich nebenbei auch noch ein bißchen was verdiente, war seine Freizeit reichlich knapp bemessen.
Deshalb mußte er seine sportliche Ertüchtigung manchmal auf die späten Abendstunden verlegen, wobei es heute mal ausnahmsweise besonders spät geworden war. Es ging auf halb zehn zu.
Sein Bruder machte sich vermutlich schon Sorgen um ihn. Er bewohnte mit Herbert ein Einfamilienhaus mit Blick auf die weiten Flächen einer Wiener Baumschule.
Franz Kolesik legte einen Zahn zu und erreichte wenig später die Ortstafel von Wien. Nun war es nicht mehr weit. Zügig und mit großer Regelmäßigkeit trat der Radsportfan in die Pedale.
Er trug einen schwarzen Baumwolltrainingsanzug und hellbraune Lederhandschuhe. Die Sportschuhe steckten in blinkenden Chromklammern. Damit Kolesik die abendliche Fahrt unternehmen durfte, hatte er zwei Taschenlampen am Rahmen befestigt. Die eine strahlte hell nach vorn, die andere fungierte als rotes Rücklicht.
Vorbei an einem Schotterteich kämpfte sich Franz Kolesik heimatlichen Gefilden entgegen. Um diese Zeit war nicht mehr viel Verkehr, deshalb konnte er in der Straßenmitte fahren.
Bald kam die Kreuzung, an der er links abbiegen mußte. Nachdem hier Dutzende zum Teil sehr schwere Verkehrsunfälle passiert waren, obwohl es eine Stoptafel gab, ließ man sich eine zusätzliche Sicherung einfallen, um die Kreuzung zu entschärfen: Eine Querschwelle auf der Fahrbahn, unmittelbar vor der
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