043 - Der Mann von Marokko
seinem letzten Erlebnis, als Jim Morlake plötzlich ohne anzuklopfen die Tür öffnete und hereintrat.
»Ich bringe Ihnen zwei Neuigkeiten, Hamon. Erstens ist Ihr Araber gefaßt worden, und zweitens werden Sie mir den Brief geben, den Sie heute abend Mrs. Cornford gestohlen haben - und zwar werden Sie sich damit sehr beeilen!«
Hamon sprang auf.
»Mein Araber, wie Sie ihn nennen, interessiert mich durchaus nicht, und was Sie da von einem gestohlenen Brief reden, amüsiert mich nicht einmal!«
»Ich bin auch nicht gekommen, um Ihnen Witze zu erzählen. Ich will den Brief haben.«
Mit zwei Schritten durchmaß Jim das Zimmer, und Ralph Hamon sprang mit einem Fluch vor den Tisch.
Morlake schob ihn beiseite, zog die Schublade auf und nahm eine Brieftasche heraus.
»Sie gemeiner Dieb!« brüllte Hamon und fiel ihn an.
Aber er taumelte zurück, von Morlakes Faust getroffen.
»Hier ist der Brief. Wenn ich jetzt -«
Hamon sah, rasend vor Wut, wie Jim die Brieftasche weiter durchsuchte. Aber das andere belastende Dokument lag nicht darin.
»Nun, haben Sie es gefunden?« fragte Hamon höhnisch.
»Ich habe den Brief, das ist im Augenblick genug«, entgegnete Jim, als er den Bogen in die Tasche steckte. »Sie können ja nach der Polizei schicken, wenn Ihnen etwas daran liegt. Mir macht es nichts aus - ich bin ja gewohnt, mit diesen Leuten umzugehen. Wenn Ihr Araber plaudert, wird es traurige Gesichter geben - denn nichts kann eine Gesellschaft mehr aus der Fassung bringen, als wenn man ihren Präsidenten aufhängt!«
Hamon antwortete nichts. Er machte das Fenster auf, lehnte sich hinaus und beobachtete Morlake, der im Dunkel der Nacht verschwand. Dann setzte er sich wieder vor den Kamin und grübelte. Allmählich kam er wieder zu dem Punkt, von dem er ausgegangen war -Joan Carston -, Joan Carston war verheiratet! Er mußte sie immer wieder irgendwie mit Jim Morlake in Verbindung bringen. Lydia hatte ihm gesagt, daß die beiden verlobt seien, und er hatte darüber gelacht. Ob Morlake wirklich das Hindernis war? Wenn er nur Gewißheit darüber bekommen könnte . . .!
Am nächsten Morgen fuhr er nach London, um Lydia zu treffen. Sie hatte von der Ermordung Marbornes gelesen und war etwas nervös.
»Wie ist es denn nur passiert, Ralph?« fragte sie ängstlich, als sie neben ihm im Wagen saß. »Wurde er tatsächlich von einem Araber umgebracht?« Sie faßte seine Hand und sah ihm forschend ins Gesicht. »Du hast es doch nicht getan? Es wäre schrecklich, wenn ch das denken müßte.«
»Du wirst hysterisch, Lydia. Ich weiß wirklich nicht mehr von dem Tod des armen Teufels als du.«
»Was wirst du nun tun?«
»Ich werde das Land verlassen. Diese Umgebung macht mich krank.« »Fährst du nach Marokko?«
»Ja, um Weihnachten werden wir dort sein. Das ist doch die schönste Zeit des Jahres.«
»Aber doch nicht für immer?«
»Natürlich nicht. Wenn es dir zu langweilig werden sollte, kannst du nach Gibraltar oder nach Algeciras gehen«, beruhigte er sie. »Vielleicht werde ich auch gar nicht nach Marokko fahren. Eigentlich sollte ich nach New York, um dort ein Geschäft zum Abschluß zu bringen. Du hast mir doch bei deinem letzten Hiersein erzählt, daß einer deiner französischen Freunde eine Jacht gemietet habe, um mit einigen Bekannten in die Südsee zu fahren. Soviel ich mich erinnere, hat er die Sache wieder aufgegeben.«
Sie bejahte und schaute ihn verwundert an.
»Könntest du diese Jacht wohl für den Winter chartern?«
»Aber warum willst du denn nicht die gewöhnliche Reiseroute benützen? Sie ist doch viel angenehmer.«
»Willst du einmal sehen, was du in der Angelegenheit tun kannst?« fragte er nur.
»Natürlich. Graf Lagune ist gerade in London, und die Sache könnte wahrscheinlich leicht arrangiert werden.«
Am Abend brachte sie ihm die Nachricht, daß sein Auftrag ausgeführt war. Sie hatte, vorbehaltlich seiner Unterschrift, die Jacht gechartert, und der Graf hatte nach Cherbourg telegrafiert und das Schiff nach Southampton beordert. Sie fand ihren Bruder in sehr gehobener Stimmung, denn der Araber war aus der kleinen Sussex-Polizeistation, wo man ihn festgehalten hatte, entkommen. Außerdem hatte er inzwischen aus dem Register der kleinen Kirche bei Ascot festgestellt, daß Joan tatsächlich mit Farringdon verheiratet war. Und nun schmiedete er neue Pläne.
»Ich muß wirklich zugeben, daß dieser Kerl doch nicht so schlecht ist, wie er aussieht«, sagte Lord Creith bedächtig. »Er hat mir
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