043 - Kampf um Cape Canaveral
zu haben. Wahrscheinlich erhoffte er sich durch die Bekanntschaft mit dem Militärchef der WCA einen baldigen Aufstieg in der Hierarchie. Zum Glück hatte er sich vor einigen Minuten in das Antriebsmodul am Heck der Raumfähre verzogen.
Hollyday hatte die Beine kaum auf der weiß lackierten Metallklappe ausgestreckt, um ein Nickerchen zu machen, als ein Rascheln ihn aufschreckte. Als er das linke Auge öffnete, erblickte er Crows Tochter. Sie stand ganz oben auf der Gangway, dort wo sich irgendwann die Luke befinden würde, durch die man die Kanzel betrat. Der Blick, mit dem sie ihn musterte, war ihm nicht ganz geheuer.
»Kann ich was für Sie tun, Captain Crow?«
»Warum so förmlich? Ich heiße Lynne.«
»O-okay… Lynne.«
Phil Hollyday musterte die attraktive junge Frau. Er schätzte sie auf Ende zwanzig, was für einen Captain ziemlich jung war.
Bestimmt hatte ihr Papa am Rad gedreht.
»Haben Sie irgendwelche speziellen Wünsche?«
Captain Crow schüttelte den Kopf. »Ich wollte nur mal sehen, was Sie hier so machen.« Sie trat in die Kanzel, klappte einen Notsitz aus der Wand und ließ sich darauf nieder. »Aber wie ich sehe, machen Sie nichts.«
»Ich bin hundemüde, Captain… Lynne«, sagte Hollyday leicht unwirsch. Er schaute ihr zu, als sie ihre Brusttasche öffnete und ihr ein silbernes Etui entnahm.
»Sind wir das nicht alle?«
Gleich darauf klemmte sie eine Kiffette zwischen ihre roten Lippen und zündete sie mit einem silbernen Feuerzeug an. Hollyday warf einen vorwurfsvollen Blick auf das Schild, auf dem NO SMOKING stand.
Captain Crow folgte seinem Blick, grinste verdorben und machte eine abfällige Handbewegung. Das Rauchverbot scherte sie einen Dreck. Schließlich war die Vorschrift - wie der ganze Rest der Anlage - ein halbes Jahrtausend alt.
Hollyday kratzte sich seufzend am Kopf. Er hatte die Augen schließen und Fluchtpläne wälzen wollen, aber die Frau ließ ihn nicht dazu kommen. Er fragte sich, ob sie etwas von seiner wahren Identität ahnte oder nur ein Auge auf ihn geworfen hatte.
Hatte er sich irgendwie verdächtig ge macht?
Es war wohl am besten, wenn er jetzt nicht den Vergrätzten spielte. Vielleicht erfuhr er mehr über sie und ihr Denken, wenn er ihr subtil auf den Zahn fühlte…
Er schaute sie an. »Sie sind eine interessante Frau. Wie man hört, haben Sie dem Bunker vor einigen Jahren den Rücken gekehrt…«
Captain Crow lachte leise. »Es ist mehr als acht Jahre her… Ich war damals ein dummes Kind und war in einen jungen Mann von der Oberwelt verliebt. Und ich hatte jede Menge Flausen im Kopf.« Sie spitzte die Lippen. »Sie wissen doch, wie so was ist: Was Eltern auch tun, man hält sie für spießig und fühlt sich von ihnen nicht verstanden.«
Phil Hollyday musste auf David McKenzies Erinnerungen zurückgreifen, um sie zu verstehen, denn er hatte seine Eltern nie so gesehen.
»Und was hat Sie dazu bewogen, zurückzukehren?«
In Captain Crows Augen blitzte es auf. »Eine Begegnung, an die ich mich nur ungern erinnere… Mit einem Mann, den Sie kennen.«
Hollyday setzte eine fragende Miene auf.
»Ein Renegat«, erklärte Captain Crow. »Er ist im Bunker aufgewachsen. Es war der Mann, der Sie bei seinem Ausbruch als Geisel genommen hat.«
»Drax?«, fragte Hollyday.
Captain Crow schüttelte den Kopf. »Mr. Black.« Sie schnaubte. »Eines Tages werde ich ihm wieder begegnen. Ich weiß es ganz genau. Und dann… hat sein letztes Stündlein geschlagen.«
»Warum hassen Sie ihn?«, fragte Hollyday.
»Hat er Ihnen etwas angetan?« Hat er etwa Ihre Familie ausgerottet, so wie Ihre Leute die meine ausgerottet haben?
»Ja«, erwiderte Captain Crow knapp. »Doch ich möchte nicht darüber sprechen.« Sie saugte an ihrer Kiffette, dann schaute sie sich nach einem Aschenbecher um. Da sie keinen fand, schnippte sie die Asche auf den Fußboden. Sie machte noch ein paar hastige Züge, dann trat sie die Kippe aus. »Reden wir über etwas anderes.« Sie stand auf.
»Zum Beispiel?«, fragte Philipp Hollyday.
»Über Sie.« , »Über mich?« Ihn hätte beinahe der Schlag getroffen.
»Ja.« Sie nickte. »Ich finde Sie auch sehr interessant.« Ihr Blick war nun der eines hungrigen Raubtiers, und Hollyday - bezieh- ungsweise eine Erinnerung David McKenzies - fragte sich, ob er im falschen Film gelandet war.
Konnte er seinen Ohren trauen? Raspelte General Crows Tochter Süßholz mit ihm?
»Sie haben in der Zeit vor der Katastrophe gelebt«, fuhr Captain Crow fort.
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