0430 - Die Hexe mit der blauen Kobra
strampelte mit den Füßen. Auf Grund kam ich nicht.
Chinatown steckt auch heute noch voller Rätsel und Geheimnisse. Es handelte sich um eine der Falltüren, durch die man in früheren Zeiten unbequeme, berauschte oder ausgeraubte Gäste auf schnelle Weise beseitigte. Es gibt sie heute noch überall im chinesischen Viertel.
Ich sah nichts, merkte aber, daß ich mich in einem träge dahinziehenden Strom befand. Es mußte sich um einen der vielen unterirdischen Ströme und Flüsse handeln, wie es sie unter Manhattan gab. Teilweise waren sie zu Tunnels ausgebaut, damit das Erdreich über ihnen nicht einstürzte.
Ich schwamm. Die Kleider hatten sich vollgesaugt und zogen mich schwer nach unten. Ich stieß auf eine Mauer. Dort bekamen meine Füße festen Halt. Das Wasser reichte mir bis zur Brust. Für Augenblicke verschnaufte ich und zog den Mantel aus, da er hinderlich war. Ich sah mich um. Obwohl ich die Augen anstrengte, konnte ich in der Dunkelheit nichts erkennen. Nirgendwo zeigte sich auch nur ein Schimmer von Licht.
Ich tauchte eine Hand ins Wasser und fühlte die leichte Strömung deutlicher. Dabei stellte ich eine Überlegung an, berücksichtigte die Lage von Pixies Haus und der Gasse. Wenn ich mich nicht irrte, so verlief die Strömung nach Osten, also in Richtung East River. Der Gedanke, auf diese Art aus dem stinkenden Wasser zu kommen, beruhigte mich.
Dann ging und schwamm ich in der leichten Strömung weiter, immer dicht an der Wand lang. Sie machte plötzlich eine Krümmung, wie ich durch Tastversuche feststellen konnte.
Ganz weit entfernt schimmerte plötzlich mattes graues Licht.
Ich schwamm schneller auf den hellen Fleck zu, der sich ständig vergrößerte.
Bald konnte ich sehen, was es war; eine gebogene Öffnung, der Ausgang des Tunnels. Die Strömung wurde stärker, es wirbelte und gluckste um mich herum.
Bald befand ich mich unter dem Ausgang, schwamm hindurch und hob den Kopf.
Meine Kombination war richtig. Der unterirdische Kanal mündete in den East River. Ich schwamm zur Seite, wo ich Steigeisen in dem Mauerwerk entdeckte, und kletterte mühsam nach oben.
Erschöpft sank ich auf den Rand des Kais nieder und ruhte mich ein wenig aus. Ich befand mich in der Nähe des Fischereihafens.
Ich stand auf und ging auf eine alte Baracke zu, aus deren Stummelschornstein grauer Rauch aufstieg.
Sechs Augen starrten mich wie einen Geist an, als ich das Innere des Holzhauses betrat. Drei Fischer saßen um einen Kanonenofen herum und wärmten sich.
»Wo kommen Sie denn her?« rief einer von ihnen und kam zu mir herüber.
Ich erklärte einem Blondkopf im blauen Wollpullover, wer ich war und woher ich kam, und fragte nach einem Telefon.
»Hätten sich eine andere Jahreszeit fürs Kanalschwimmen aussuchen sollen, Mr. Cotton«, brummte er. Die Falten um seinen Mund deuteten ein Grinsen an. »Warten Sie hier. Nebenan ist ein Telefon. Ich verständige das FBI, damit Sie abgeholt werden.«
Er lief hinaus.
Ein anderer gab mir eine graue Wolldecke, in die ich mich hüllte. Die beiden Männer machten mir Platz am Ofen.
Eine halbe Stunde später fuhr einer unserer Wagen vor. Ich dankte den Fischern für ihre Hilfe und ging hinaus.
»Du siehst wie ein Brathering aus«, meinte mein Kollege, »genauso braun, faltig und mickerig.« Nachdem er den Wagen gestartet hatte, fragte er. »Wohin darf ich dich bringen? Ins Office?«
»Nein, erst zu mir nach Hause. Ich muß mich umziehen.«
»Gute Idee. Dann laß dich bei uns sehen. Phil hat ein tolles Girl mitgebracht.«
Er schilderte mir das, was er wußte.
In meiner Wohnung zog ich mich aus, duschte und stieg in frische Sachen.
Zwanzig Minuten später saß ich schon wieder bei Steve Dillaggio im Wagen. Allerdings jetzt im Fond, weil der Beifahrersitz erst einer gründlichen Reinigung unterzogen werden mußte.
Wir fuhren nach Chinatown.
Das Haus, in dem mich Pixie zum Schwimmvogel gemacht hatte, war leer. Der Chinese hatte sich inzwischen in Luit aufgelöst. Etwas anderes hatte ich auch kaum erwartet.
Ich betrat nochmals den Goldenen Drachen und sprach mit dem dicken Inhaber. Er konnte mir nichts über seinen sauberen Nachbarn sagen. Auf der Fahrt zum Hafen hatte ich schon über Funk eine Fahndungsmeldung nach Pixie durchgegeben. Es hatte keinen Zweck, jetzt und hier nach Pixie zu forschen. Ich schickte Steve allein zurück und ging zum Jaguar, der immer noch an seinem Platz stand.
***
»Phil will dich sprechen, Jerry«, sagte mir unser Mann in der
Weitere Kostenlose Bücher