0431 - Der Gentleman-Killer
gesehen hatte — Matratzen, niedrige Tischchen, eine Menge Kissen — sah ganz wie eine notdürftige Opiumhöhle aus.
Jedenfalls stand Speedy immer noch unter Einfluß des Rauschgiftes und konnte unmöglich so schnell reagieren, auch wenn er sich offensichtlich aufgerappelt hatte.
Ich tat so, als würde ich seinem Befehl nachkommen und stemmte mich mit beiden Händen gegen die Wand.
»Füße weiter zurück!« zischte er scharf. Ich ging mit den Händen unauffällig tiefer, und schob die Füße zurück, aber nicht weit genug, um das Gleichgewicht zu verlieren. Speedy kam näher. Ich wartete noch etwas, dann, als ich vermutete, daß er der Meinung war, ich könnte mich nicht mehr rasch bewegen, schnellte ich herum. Er stand dicht vor mir. Ich traf mit der Schulter seine rechte Hand, und der Revolver ging los. Der Schuß pfiff dicht an meiner Schläfe vorbei, und wir stürzten zusammen zu Boden. Speedy sah auf die rauchende Waffe in seiner Hand, dann auf mich. Ich sah zum erstenmal sein Gesicht, und ein eisiger Schauer lief mir über das Rückgrat.
Sein Gesicht war schmal und hager. Es schien nicht zu seinem wuchtigen Körper zu gehören, und auch der lange, sehnige Hals paßte nicht zu den riesigen Schultern. Die Augen lagen tief in den Höhlen und funkelten mich mit dem metallischen Glanz an, den Menschen haben, wenn sie unter Rauschgift stehen. Statt eines Mundes hatte er lediglich einen schmalen Spalt, den er jetzt wie eine Schießscharte geöffnet hatte, um mich anzublaffen:
»Du bist es also!« Er hatte mich erkannt, und ich wußte, daß er jetzt seine Anstrengungen vervielfachen würde, um mich zu töten.
Vorläufig war ich noch in der besseren Position. Ich kniete auf seinem Handgelenk, umklammerte mit beiden Händen seine Schultern und nagelte ihn mit meinem Gewicht platt auf den Boden. Er starrte regungslos zu mir herauf, als ob ihm das nichts weiter ausmachte. Die beiden anderen hielten sich noch zurück und beobachteten uns wie hypnotisierte Kaninchen.
Ich verlagerte mein Gewicht auf den linken Arm, um mit der rechten Hand nach meiner Waffe zu greifen. Er bewegte sich plötzlich, aber ich reagierte sofort und verstärkte den Druck wieder, indem ich mich nach vorn beugte. Er drehte sich um, als wäre ich eine alte Zeitung. Ich wußte, daß er normalerweise nicht solche Kräfte hatte, aber die Wirkung des Rauschgiftes hob ihn über sein normales Maß hinaus.
Er schien überhaupt nicht zu bemerken, was er tat, sondern machte jede Bewegung automatisch und instinktiv im richtigen Moment: Er warf sich mit seiner Schulter gegen mich und bremste seinen Schwung, als ich ihm aus wich. Ich sprang vor, riß meine Faust vor seinen Augen hoch, sprang zurück und wiederholte das Manöver ein paarmal.
Ich rammte Speedy meine Faust mit aller Wucht auf das knochige Kinn. Ich hörte ein leichtes Splittern, hinter mir zog Joe schmerzhaft die Luft ein, als wäre er getroffen worden. Speedy schien nichts zu spüren. Er hob beide Arme und ließ sie mir verschränkt auf den Schädel sausen, bevor ich ausweichen konnte. Ich sackte etwas in die Knie, schnellte sofort wieder hoch und versetzte ihm einen Uppercut. Endlich taumelte er etwas zurück, ’aber noch bevor ich ihm folgen konnte, hatte sich Joe an meinen Hals gehängt und legte mir etwas an die Halsschlagader, das sich anfühlte wie eine Messerklinge. Ich fühlte den warmen Blutstropfen, der in meinen Kragen lief. Aber ich spürte keinen Schmerz.
Ich bewegte mich nicht.
Das Keuchen von Joe dröhnte dicht an meinem Ohr. Vor mir stand mit hängenden Armen Speedy, dessen Unterkiefer bereits anzuschwellen begann. Er bückte sich langsam wie ein Schlafwandler und hob seinen Revolver auf, der direkt vor seinen Füßen lag.
Plötzlich hörten wir das Brummen eines schweren Motors. - Eine Sekunde erstarrten alle drei. Die Luft schien mich zu ersticken. Ich wagte nicht zu atmen. Es war glühend heiß.
Der Wagen kam näher. Speedy kam langsam mit dem Revolver auf mich zu. Joe hinter mir sagte:
»Warte, Speedy«, dann nahm er eine Hand von meinem Hals weg, ohne das Messer zu bewegen und hob sie hoch. Ich merkte noch, daß der Alte eine Bewegung machte, dann explodierte mein Kopf, und es wurde völlig dunkel um mich.
***
Phil klatschte mir eine Ladung Wasser ins Gesicht und setzte mir eine flache Whiskyflasche 'an den Mund. Der Alkohol brannte wie Säure meine Kehle hinunter, und ich hustete würgend. Aber Phil zwang mich, weiter zu trinken, und allmählich begann ich
Weitere Kostenlose Bücher