0432 - Sein Todfeind war ein flottes Girl
seiner Branche hängt viel vom Ruf und vom persönlichen Kredit ab. Sobald seine Konkurrenten erfahren, daß er blank ist, leiht ihm niemand auch nur einen Cent —«
»Hat er versucht, die Schwierigkeiten zu überbrücken?«
»Gewiß — das ist doch ganz klar!«
»Wie sind diese Schwierigkeiten entstanden?«
»Etwas Genaues weiß ich nicht. Charly spricht nicht gern darüber. Es wäre auch ganz zwecklos — von geschäftlichen Dingen verstehe ich nichts!«
»Hat Ihr Mann sich mit der Bitte um Hilfe an Ihren Vater gewandt?« wollte ich wissen.
»Ihnen ist sicherlich bekannt, wie meine Eltern zu Charly stehen. Meine Mutter hat aus ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht, nicht wahr? Nun, Charly mag in geschäftlicher Hinsicht wenig Skrupel haben, aber trotz allem besitzt er einen gewissen Stolz. Er würde meinen Eltern schon aus Eitelkeit nicht gestehen, daß er momentan in Schwierigkeiten ist. Nein, er hat bestimmt nicht mit Papa gesprochen.«
»Er hat auch nicht versucht, Sie vorzuschicken?«
»Er weiß, daß das keinen Sinn hätte. Mama und auch Papa würden die Finte sofort durchschauen.«
»Welche Erklärung haben Sie für das Verschwinden Ihres Vaters?«
Alice McGrown blickte an mir vorbei. »Gar keine«, sagte sie. Ich fühlte, daß das eine Lüge war.
»Machen Sie mir nichts vor. Er ist Ihr Vater. Sie müssen sich doch Gedanken über sein Verschwinden gemacht haben!«
»Schon möglich — aber ich ziehe es vor, nicht darüber zu sprechen«, meinte sie.
»Glauben Sie, daß ihm das hilft?«
»Wenn ich ihm helfen könnte — ich würde es sofort tun!«
In diesem Moment geschahen ein paar Dinge fast gleichzeitig.
Ein Schuß krachte und die Fensterscheibe zersplitterte.
Irgend etwas zischte sengendheiß dicht an meinem Kopf vorbei. Eine Kugel? Ein Glassplitter?
Hinter mir klatschte etwas in die Wand.
Ich hechtete aus dem Sessel zu Boden und schrie: »Gehen Sie in Deckung!«
Alice McGrown gehorchte. Sie starrte mich keuchend und aus weit aufgerissenen Augen an. »Gerechter Himmel — was war das?«
Ich erwiderte ihren Blick. »Mordversuch Nummer zwei«, stellte ich lakonisch fest. Meine Stimme war etwas heiser und belegt. Ich merkte, daß die Ruhe meiner Antwort in keinem rechten Verhältnis zu den Empfindungen stand, die der Schuß in mir ausgelöst hatte.
Langsam kroch Wut in mir hoch. Dieses Gefühl kriege ich stets dann, wenn ich einen Fall nicht »fassen« kann, wenn ich ihm hilflos gegenüberstehe.
Ich blickte zum Fenster. Die Mittelscheibe war zum Teufel gegangen. Der warme Abendwind blies ins Zimmer und bauschte die Gardinen. Ich robbte bis zur Tür. Konnte ich wagen aufzustehen? Ja, ich war fast sicher, daß ich das riskieren konnte. Der Schütze konnte es sich nicht leisten, noch länger an seinem Platz im gegenüberliegenden Haus zu verweilen. Er mußte damit rechnen, daß man den Schuß gehört hatte und daß sich sofort ein paar Neugierige aufmachen würden, um Ursache und Herkunft des Knalls zu untersuchen.
Ich ging zum Fenster, und zwar so, daß ich im toten Winkel blieb.
Alice McGrown rührte sich nicht. Ihr Kopf lag in der Beuge des Armés. Sie begann zu schluchzen, leise, monoton, haltlos. Offenbar hatten ihre Nerven versagt; sie fand einfach nicht die Kraft, mit den Ereignissen fertig zu werden.
Vorsichtig peilte ich hinter der Übergardine hervor durch das Fenster. Das gegenüberliegende Haus war ein siebenstöckiges Bürogebäude. Ein paar Fenster standen offen — aus zwei von ihnen konnte der Schütze gefeuert haben. Der Zwischenraum betrug etwa dreißig Meter. Es war klar, daß der Schütze ein Gewehr benutzt hatte.
Ich schloß mit einem Ruck die Vorhänge.
»Was tun Sie da?« fragte Alice McGrown ängstlich. Die Tränen zogen eine breite, feucht schimmernde Spur durch die Schicht ihres Makeups. Seltsamerweise ließ sie das noch jünger und kindlicher Erscheinen.
»Der Schütze ist längst über alle Berge«, versicherte ich.
»Aber…«
»Schon gut«, unterbrach ich. »Ihr Mann bleibt ziemlich lange weg, was?«
Sie schluckte. »Sie glauben doch nicht etwa…?«
»Nun?« ermunterte ich sie.
Sie stand auf und zog den Hausanzug zurecht. »Nichts«, meinte sie. »Das wäre ja einfach verrückt.«
Draußen klappte die Tür — wieder sehr leise.
Dann kam McGrown herein. Er war Ziemlich außer Atem. »Das ging daneben«, sagte er.
»Allerdings«, meinte ich und wies auf die Kugel, die in die Wand gedrungen war. »Allerdings nur um zwei, drei Millimeter.«
Er
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