0434 - Die Mörderspinne
mit ’ner Fliegenklatsche«, drohte Saranow. »Wenn du noch einmal behauptest, hier wäre Hinter-Sibirien oder Mongolei! Pelzmäntel, Mützen und Handschuhe braucht ihr jedenfalls nicht, aber vielleicht einen neuen Globus, damit du endlich mal merkst, wo Akademgorodok überhaupt liegt… Hauptsache, ihr kommt überhaupt!«
»Das Ticket ist also bezahlt?« erkundigte Zamorra sich.
»Ihr werdet das Geld vorstrecken müssen und bekommt es von uns zurückerstattet.«
»In Rubel, wie?« knurrte Zamorra. »Kommt gar nicht in Frage, weil mit eurem komischen Monopoly-Geld doch keiner was anfangen kann! Sieh zu, daß es in französischer Währung ausbezahlt wird…«
»He, das ist doch nicht mein Problem!« entfuhr es Saranow. »Dafür ist unsere Finanzverwaltung zuständig… wann kommt ihr nun?«
Zamorra seufzte. »Mir bleibt auch wirklich nichts erspart. Keine Ausrede, kein Sonderwunsch, keine Beleidigung funktioniert… na schön, sobald ich weiß, wann wir von Lyon oder Paris starten können, rufe ich an. Habt ihr überhaupt bei euch in Hinter-Sibirien ’ne Landebahn, oder müßt ihr die erst roden…?«
Dann glaubte er, einen Wolf als Gesprächspartner zu haben, weil Knurren und wütendes Aufheulen so echt klang…
»Muß doch Hinter-Sibirien sein«, murmelte er. »Da gibt’s schließlich noch Wölfe, die wir zivilisierten Menschen überall sonst ausgerottet haben…«
Und dann machte er sich daran, auch Nicole aufzuwecken, die noch den Schlaf der Gerechten schlief.
Beim Wecken blieb es natürlich nicht, weil Nicole sich von der liebesbedürftigen Seite zeigte. Ein paar Stunden vergingen immerhin noch, bis der Hunger sie endlich aus dem Bett trieb.
***
Ganz so leichtfertig, wie Saranow und auch Dembowsky annahmen, war Marina nicht. Sie machte sich sehr wohl Gedanken über das, was sie tat.
Aber sie wußte, daß ihre Fähigkeit keine Gefahr darstellte - solange sie selbst das nicht wollte. Und sie hatte nicht vor, sich mißbrauchen zu lassen. Sie war auch nur bis zu einem bestimmten Punkt bereit, sich den Forschern zur Verfügung zu stellen, weil sie selbst neugierig war, was es mit ihren Fähigkeiten auf sich hatte. Daß andere sie nicht besaßen, war ihr erst aufgefallen, als sie schon fünf oder sechs Jahre alt war und sich darüber wunderte, daß andere Kinder nicht mit ihren Wünschen Gegenstände erscheinen oder verschwinden lassen konnten. Aber ihre Fähigkeit machte sie damit auch zur Außenseiterin, zur Ausgestoßenen. Sie war eben anders als die anderen.
Und jetzt war sie hier, in Akademgorodok, bei den Parapsychologen, die in Erfahrung bringen wollten, ob ihre Fähigkeit sich als Waffe benutzen ließ!
Das war der Punkt, an dem sie nicht mehr mitspielen würde, und sie hoffte, daß es sich auch Professor Saranow und sein Assistent nicht noch einmal anders überlegten.
Sie dachte plötzlich an die Spinne von gestern abend, die entwischt war, und sie dachte an Fedors entsetzte Reaktion. Gut, ganz wohl war ihr selbst nicht gewesen, als sie das kleine Biest auf ihre Zunge holte, aber dann war es alles einfacher gewesen, als sie gedacht hatte, und das bißchen Kribbeln hatte sie nicht weiter gestört.
Daran, daß die Spinne in einer Panikreaktion Marina beißen und ihr Gift einspritzen konnte, dachte sie auch jetzt nicht. Es war ja auch nicht geschehen.
Marina fragte sich, wo das Insekt jetzt war. Es mußte ja schließlich von irgendwoher gekommen sein, und es mußte irgendwohin wieder verschwunden sein.
Sie fragte sich, ob es ihr gelingen konnte, dasselbe Objekt ein weiteres Mal herbeizuholen. Bisher war das noch nicht getestet worden. Die Parapsychologen hatten mit den unterschiedlichsten und teilweise unmöglichsten Dingen experimentiert. Das größte Objekt, das sie bisher geholt und wieder fortgeschickt hatte, war ein Fahrrad gewesen. Es hatte sie nicht einmal besonders angestrengt Aber dasselbe Objekt zweimal zu holen - das wäre neu.
Marina lächelte. Sie wollte es versuchen.
Wenn man ihr schon einfach so einen freien Tag gewährte, von einer Stunde auf die andere, konnte sie schließlich machen, was sie wollte. Und sie wollte ihre eigenen Grenzen erforschen.
Darauf hatten die Wissenschaftler sie überhaupt erst gebracht. Früher wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, gezielt zu experimentieren. Sie hatte einfach geholt, wonach ihr der Sinn stand oder was sie gebrauchen konnte.
Die Wodkaflasche, noch halb voll, stand noch auf dem Tisch. Marina schloß die Augen und schickte sie
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