0434 - Die Rache der Menschengeier
du?« Wieder blieb es still. Der andere ballte die Hände. Er schaute zum Himmel hoch, sah aber nur die grauen, wallenden Fetzen und keine Spur von seinem Freund.
Ein paarmal atmete er tief durch, bevor er wieder einigermaßen denken konnte. Eine Tatsache aber blieb. Sein Freund war verschwunden. Vor seinen Augen hatte man ihn weggeholt. Aber wer, verdammt? schrie es in ihm. Wer hatte diesen Menschen, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, in die grauen Nebelschleier gezogen?
Jerry Hall atmete tief durch. Angst überfiel ihn, als er sich duckte, den Kopf in den Nacken legte und in die Höhe schaute, als könnte er dort etwas entdecken.
Nichts war zu sehen.
Nur der Nebel, kein Schatten, nicht einmal das Rauschen der großen Flügel vernahm er.
Wie eine würgende Hand glitt die Angst in ihm hoch, bis sie die Kehle erreichte, sich dort festsetzte, so daß es ihm schwerfiel, Atem zu holen.
Es war einfach unerklärlich und grauenhaft.
Er schüttelte sich, als er sich endlich dazu überwand, weiterzugehen und an der Stelle stehenblieb, wo sein Freund von diesen schattenhaften Geschöpfen geholt worden war.
Diesmal senkte er den Blick, denn ihm war ein dunkler Fleck im Gras aufgefallen.
Er bückte sich noch tiefer, streckte den Arm aus, und ein bestimmter Verdacht wollte einfach nicht weichen. Mit der Fingerspitze fühlte er nach und berührte plötzlich eine klebrige Flüssigkeit.
Wie Blut…
Ja, das war sogar Blut. Das Blut seines Freundes. Es hatte zwischen den Halmen eine große Lache gebildet.
»O Gott, nur das nicht«, hauchte Jerry Hall. »Das darf doch nicht wahr sein, das ist der nackte Wahnsinn. Ich drehe noch durch und werde verrückt.«
Bei diesen Worten zog er sich Schritt für Schritt zurück. Eine panische Angst hatte ihn überfallen. Seine Hände blieben nicht mehr ruhig. Sie zitterten ebenso wie seine Lippen, und auch seine Gedanken und Überlegungen konnte er nicht mehr in klare Bahnen lenken.
Erst als er gegen die Kühlerfront des Wagens stieß, zuckte er zusammen und blieb stehen. Die rechte Hand preßte er dorthin, wo das Herz schlug. Auf der Stirn mischte sich der Schweiß mit der Feuchtigkeit des dünnen Nebels.
Dann stierte er wieder gegen den Himmel.
Nein, da war nichts zu sehen.
Nur Nebel und Dunkelheit.
Was sollte er tun? Warten? Er glaubte nicht, daß sein Freund noch einmal als Lebender zurückkehren würde. Bestimmt nahmen ihn diese Monstervögel mit und schleuderten ihn irgendwo hin. Möglicherweise sogar in die Themse. Deshalb gab es nur eins. Wieder rein in den Wagen und zurück zum Haus fahren, um von dort die Polizei anzurufen.
Aber wie sagte er es Ada?
Davor fürchtete er sich am meisten. Ada mußte wissen, was geschehen war, und er sollte ihr den Tod des geliebten Mannes mitteilen. Gab es Furchtbareres als dies?
Als er im Wagen saß und die Tür zuhämmerte, hatte er einen Entschluß gefaßt.
Nein, er würde nicht zu Ada Stone fahren und ihr alles sagen. Von der nächsten Telefonzelle aus wollte er die Polizei anrufen und einen ersten Bericht abgeben. Die Beamten konnten ihm die schwere Aufgabe abnehmen, dafür waren sie ebenfalls da.
Seine zitternden Finger tasteten nach dem Zündschlüssel und rutschten zunächst einmal ab, bevor sie ihn umdrehen konnten. Der Motor kam sofort, trotzdem hatte Jerry Schwierigkeiten, den Wagen zu starten. Fast hätte er ihn abgewürgt.
Holpernd und stotternd fuhr er an und rollte auch über die Stelle hinweg, wo sein Freund unter so schrecklichen Umständen verschwunden war.
Erst dahinter wollte er drehen und den Weg zurückfahren.
Das tat er auch. Die Profile der Räder rissen Furchen in den weichen Boden. Dreck und Gras wurden in die Höhe geschleudert, und Jerry fuhr viel schneller in die Kurve, als er es eigentlich vorgehabt hatte. Aber er wollte diesen verdammten Flecken Erde so rasch wie möglich verlassen.
Hier war einiges nicht mit rechten Dingen zugegangen.
Die Kurve konnte er noch gut nehmen. Er schlug sofort die exakte Richtung ein, sah im Licht des verschwommenen Scheinwerferteppichs die Reifenspuren von der Hinfahrt, wollte parallel dazu zurückfahren, als wieder etwas aus der Höhe erschien.
Diesmal war es kein Schatten, der nach unten fiel und mit vehementer Wucht die Kühlerhaube traf.
Aber ein Gegenstand, der noch schlimmer war.
Ein Skelett!
***
Es prallte mit einem hämmernden Geräusch auf die Kühlerschnauze und sah so aus, als würde es wieder in die Höhe geschleudert, bevor es abrutschte.
Das
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