0434 - Die Rache der Menschengeier
gesagt, sie hat einen Schock erlitten. Die Kinder sind zu einer Nachbarin gebracht worden.« Der noch junge Polizist schüttelte den Kopf. »Es war furchtbar, Sir. Wie kann das Leben oft nur so grausam und gemein sein?«
»Das frage ich mich manchmal auch.«
Dann kam ich wieder zum Thema. »Wissen Sie eigentlich, wo ich den genauen Ort finden kann?«
Ich bekam den ungefähren Platz beschrieben. Da sich dort ebenfalls zwei Streifenwagen aufhielten, nahmen die Kollegen telefonischen Kontakt mit den Beamten auf, so daß ich eine genaue Wegbeschreibung geliefert bekam.
Ich bedankte mich und startete.
Auf dem Weg zum neuen Ziel machte ich mir meine Gedanken. Viel wußte ich nicht, nur von einem Skelett war gesprochen worden.
Allerdings vom Skelett eines Menschen, der vor gut zwei Stunden noch völlig normal gelebt hatte.
Das machte mich wiederum mißtrauisch.
Als ich von den normalen Straßen abfuhr und in die Themseauen hineinstach, wurde der Untergrund weich. An manchen Stellen war er sogar rutschig. Zum Glück verfuhr ich mich nicht. Zudem drehte sich ein Licht auf dem Dach eines Streifenwagens, so daß ich dies als Orientierungshilfe benutzen konnte.
Man hatte mich schon erwartet.
Ein Sergeant Hymes führte die kleine Mannschaft an. Er brachte mich auch zu dem Platz, wo das Schreckliche stattgefunden hatte. Wir gingen durch weiches Gras. Männer der Spurensicherung hatten das Gelände bereits vermessen.
In dem aus Band gespannten Viereck sah ich im dunklen Gras die bleichen Gebeine liegen.
Ich bückte mich, trat in die abgesperrte Zone und nahm den ersten Knochen hoch.
Allmählich bekam ich Routine. Zu oft hatte ich es schon mit menschlichen Gebeinen zu tun gehabt, und diese Teile stammten von einem Menschen. Auch den Schädel sah ich. Er war in zwei Hälften zersprungen und sah aus wie abgenagt und mit farblosem Lack angestrichen.
Blank und bleich…
Der Sergeant hatte mich begleitet. »Können Sie sich vorstellen, daß dieser Mensch, dem die Knochen gehören, vor kurzem noch gelebt hat, Sir?«
»Woher wissen Sie das?«
»Es gibt einen Zeugen.« Ich richtete mich auf. »Ist er hier?«
»Ja, er wartet im Wagen. Ein Mann namens Jerry Hall. Er wollte mit dem Toten zum Angeln fahren. Dann mußte er alles mit ansehen.«
»Steht der Mann unter Schock?« Der Sergeant hob die breiten Schultern. »Sagen wir so. Er ist ziemlich mit den Nerven runter.«
»Ja, kein Wunder.«
Die Gebeine hatten Zeit. Ich mußte zunächst einmal wissen, wie das alles abgelaufen war.
Der Zeuge hockte im Fond und stierte vor sich hin. Er nahm kaum zur Kenntnis, daß ich einstieg und mich neben ihn setzte. Er hörte meinen Namen und auch meine Bitte, alles von Grund auf zu erzählen.
»Das habe ich schon«, sagte er tonlos. »Tun Sie es mir zum Gefallen noch einmal.«
Jerry Hall holte tief Luft. Er fuhr durch sein kurzgeschnittenes Stoppelhaar, starrte aus dem Fenster und hauchte bei seinem Bericht die Scheiben an.
Dann redete er. Sehr langsam, wie ich fand, stockend auch, manchmal murmelnd, so daß ich mich anstrengen mußte, um alles zu verstehen.
Allmählich formte sich in mir das Bild eines unheimlichen und unglaublichen Vorgangs. Aber ich sah keinen Grund, dem Erzähler nicht zu trauen. So etwas saugte man sich nicht aus den Fingern, das mußte man einfach erlebt haben.
»Das entspricht also alles den Tatsachen, was Sie mir da berichtet haben?« fragte ich. »Ja.«
»Wie steht es mit einer Erklärung?«
Er drehte sich um und schaute mich staunend an. »Ich?« flüsterte er, »ich soll Ihnen alles erklären, Mister? Nein, das geht nicht. Das ist unmöglich. Ich kann nichts dazu sagen. Um Himmels willen, verlangen Sie nicht so etwas von mir.«
»Aber sie kannten Ihren Freund.«
»Sehr gut sogar.«
»Schon lange?«
»Jahre.«
»Was hat Sie verbunden?«
»Das gemeinsame Hobby.«
»Also beruflich nicht?«
Er verneinte. »Ich bin Angestellter der Uni Oxford. Gewissermaßen eine Art von Hausmeister. Graham Stone war oder ist Pilot. Das heißt, er ist früher geflogen, jetzt bildet er Flugschüler aus. Ein Job, der ihm Spaß macht und der ihm auch noch Zeit für ein Hobby läßt. Oder ließ«, fügte er leise hinzu.
»Ich überlege, ob es mit seinem Beruf etwas zu tun gehabt haben könnte.«
»Vielleicht.«
»Sie haben also auch die Schatten gesehen. Dann ist Ihr Freund ausgestiegen, auf den Schatten zugegangen und wurde plötzlich von anderen gepackt und in die Höhe gerissen. Stimmt das so?«
»Exakt,
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