0435 - Das Hexentor
gesehen?«
»Ich habe es nicht gesehen. Ich kenne es nicht, aber ich bin sicher, daß es noch kommt. Die Große Mutter muß etwas tun. Lilith kann nichts so ohne weiteres hinnehmen.«
»Da sagst du was.«
Wir hatten das Grundstück erreicht. Es war nicht schwierig, es zu betreten. An zu vielen Stellen war der Zaun eingerissen oder zu Boden gedrückt worden.
Das Haus! dachte ich. Wie lange hatte es bereits hier gestanden. Ein altes zwar, aber ansonsten völlig normales Gebäude, an dem nichts Unheimliches zu finden war, außer der Tatsache, daß es wohl leerstand, denn kein Besitzer hätte den Garten so verkommen lassen.
Und jetzt nistete das Böse darin. Es war zu einem Nest geworden, vielleicht die Basis für das geheimnisvolle und gefährliche Hexentor, das Jane erwartete.
Ungewöhnlich hoch wuchs das Unkraut. Es schleifte an unseren Beinen entlang. Der Boden war weich. Abfälle lagen als kleine Müllhalden verteilt. Wilde Büsche wuchsen so hoch, daß sich jemand dahinter verstecken konnte, ohne gesehen zu werden.
Jane hatte Schwierigkeiten beim Laufen. Ich stützte sie noch stärker ab, was sie mit einem dankbaren Nicken quittierte.
Irgendwann mußte auf dem Grundstück mal eine Terrasse gestanden haben. Reste davon waren noch erhalten. Viereckige Platten, die sich noch dunkler vom Untergrund her abhoben.
Dort genau blieben wir stehen.
Der Nachtwind strich über das Grundstück. Er bewegte das Unkraut und auch die biegsamen Zweige der Büsche, die sich vor uns zu verbeugen schienen.
Wo lauerten die Hexen?
Hatten sie sich allesamt im Haus versammelt, oder waren sie noch unterwegs?
Auch das hohe Gras bot gute Versteckmöglichkeiten. Sie brauchten sich nicht einmal flach hinzulegen, nur zu ducken.
Ich suchte einen Platz für Jane, wo sie sich verbergen konnte. Sie hatte auch nichts dagegen. Der Zufall kam uns zu Hilfe. Nicht weit entfernt ragte ein Baumstumpf aus dem Boden. Er hatte sicherlich früher einmal als Sitzplatz gedient und stand auch gut gedeckt.
»Willst du hierbleiben?«
Jane nickte. Sie humpelte auf den Stumpf zu und ließ sich nieder. Bevor ich gehen konnte, hielt sie mich noch einmal fest. »John«, sagte sie eindringlich und die Schmerzen dabei nur mühsam unterdrückend. »Was du vorhast, ist kein Spaziergang. Du kämpfst gegen die Große Mutter, das sollte dir Warnung genug sein. Sie hat dein Kreuz manipuliert, sie wird es ganz ausschalten wollen.«
»Das schafft sie nicht.«
»Mag sein, aber das Hexentor wird sich öffnen. Da sehe ich schwarz, unterschätze bitte seine Macht nicht.«
»Ich werde daran denken. Wie sieht es denn bei dir aus? Spürst du die Nähe der Hexen?«
»Nein, im Moment ist alles ruhig.«
»Dann sind sie in Erwartung dieses Tores?«
»Das glaube ich auch.«
Bevor ich ging, streichelte ich über Janes Haar. »Wir werden es schon schaffen, du sollst hier in London in Ruhe leben können. Hast du eine Waffe?«
»Nur meine Kräfte.«
»Dann gebe ich dir die Beretta!«
Sie wollte erst nicht, aber ich hatte noch den Dolch und auch mein Kreuz.
Als Jane sie in der Hand hielt, lachte sie leise auf. »Wie lange ist es her, daß ich eine mit geweihten Kugeln geladene Pistole gehalten habe? Meine Güte, ich kann mich nicht daran erinnern.«
»Aber du fürchtest dich nicht davor?«
»Nicht mehr.«
»Gut, halte die Augen offen.« Ich ließ sie allein und spürte den Druck im Magen. Es war schon ein verdammt komisches Gefühl für mich, auf das Haus zuzugehen und Jane Collins allein zurückzulassen. Bei einer anderen Person hätte ich mich das nicht getraut, aber ich wußte bei Jane, daß ich mich auf sie verlassen konnte. Sie stand dem Bösen und ihrem ehemaligen Leben aggressiv gegenüber.
Zum Eingang führte ein Weg. Zwar mit Moos bedeckt und von Unkraut überwuchert, aber dennoch zu erkennen. Allmählich zeichnete sich auch die Tür in der Hausmauer ab.
Sie war ziemlich breit, aber auch hoch und besaß trotz ihrer großen Ausmaße nur einen Flügel. Hinter den Fensterscheiben mußten dunkle Vorhänge hängen, denn ich konnte die Scheiben kaum erkennen.
Vor der Tür blieb ich stehen. Nichts war zu hören, nur das leise Rauschen des Windes, wenn er über das leere Grundstück fuhr.
Ich hatte schon oft vor geheimnisvollen, alten Häusern gestanden, um sie zu durchsuchen. Stets überkam mich dabei ein Gefühl der Spannung und des inneren Drucks.
Hier war es nicht anders, und dieses Gefühl steigerte sich noch, als ich die Hand auf die Klinke legte, sie nach
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