0437 - Das Monster im Keller
keine Miene.
»Es ist so. Von alters her. Bring kein Eisen in den Keller, wenn du nicht willst, daß das Böse erwacht. Hast du das Haus gekauft, Junge?«
Zamorra schüttelte den Kopf. Er störte sich nicht an der Anrede ›Junge‹, obgleich er so jung nun auch nicht war. Aber für den Alten, der fast ein Jahrhundert lang gelebt hatte, war Zamorra eben ein junger Bursche.
»Was wissen Sie darüber? Das Böse - was ist es, Monsieur? Ein Spuk? Ein Teufel? Ein böser Geist oder Dämon?«
»Nenn mich nicht Monsieur, Junge«, sagte der Weißhaarige. »Ich bin der alte Jaques,, mehr nicht. Wenn du das Haus gekauft hast, sieh zu, daß du es schnell wieder los wirst. Glaube mir, es ist nicht gut, dort zu wohnen.«
»Warum nicht, Jaques?«
Der Alte schüttelte den Kopf.
»Frage nicht so viel. Tu, was ein alter Mann dir rät, Junge. Verkaufe das Haus schnell wieder. Oder reiße es ab, wenn du kannst. Aber wahrscheinlich wird das nicht helfen. Was in der Tiefe wartet, läßt sich damit nicht vertreiben.«
Zamorra schüttelte den Kopf. Eine Eingebung sagte ihm, daß der Alte mehr wußte, als er verraten wollte. Vielleicht ließ er sich aus der Reserve locken. Zamorra öffnete sein Hemd und holte das Amulett hervor. »Und wenn ich das hier in den Keller bringe?«
Der Alte verzog keine Miene. »Darf ich es berühren?« fragte er.
Zamorra nickte und streckte ihm das Amulett entgegen. »Können Sie sich vorstellen, was das ist, Jaques?«
Der Alte hielt die Meerschaumpfeife in der Linken. Mit der Rechten nahm er das Amulett entgegen und betrachtete es. Lange und eindringlich.
Dann lächelte er.
»Das bringst du nicht in den Keller, Junge«, sagte er. »Das nicht. Und es wäre auch nicht gut. Es wäre Verschwendung.«
»Warum Jaques? Warum bringe ich es nicht in den Keller? Warum Verschwendung? Was hat es mit diesem Haus und dem Keller auf sich?«
Der Alte erhob sich. Seine Augen blitzten, und er sah nicht wie ein gebrechlicher Neunziger aus, als er vor Zamorra stand und ihm das Amulett vor die Brust drückte.
»Willst du dieses Wunderwerk wirklich zerstören? Selbst wenn es sich in diesen Keller bringen ließe - du müßtest ausgepeitscht werden für so eine Dummheit. Bringe kein Eisen in den Keller, niemals! Anderthalb Jahrhunderte hatten wir Ruhe, weil sich jeder an diese Regel hielt! Breche sie nicht. Und - trenne dich von dem Haus, solange du es noch kannst, Junge.«
Er wollte sich abwenden. Zamorras Hand schoß vor, berührte den Arm des alten Jaques. »Verzeihen Sie«, bat er. »Ich bin etwas unhöflich und vielleicht etwas ungesittet. Aber ich muß wissen, woran ich bin. Was wollen Sie damit sagen, solange ich es noch könnte?«
»Viele Menschen haben dieses Haus nicht verkauft, sondern vererbt«, sagte Jaques. Er löste sich mit einer für sein Alter und sein Aussehen erstaunlich schnellen Drehung aus Zamorras lockerem Griff und verschwand in seinem kleinen Haus. Deutlich war zu hören, daß von innen ein schwerer Riegel vorgelegt wurde.
Zamorra sah Nicole an.
»Viel weiter bringt uns das auch nicht«, sagte sie.
Zamorra lächelte. »Vielleicht doch. Ein wenig haben wir nun doch mittlerweile erfahren. Zum Beispiel, daß dieser Eisenfresser, der Unsichtbare, böse ist. Und daß einige Besitzer dieses Hauses darin oder dadurch gestorben sind… vielleicht sogar, weil sie die Regel nicht beherzigt haben, kein Eisen in den Keller zu tragen.«
Nicole schürzte die Lippen.
»Eisen stärkt also das Böse.«
»Oder weckt es. Auf jeden Fall muß es ursächlich Zusammenhängen. Fest steht, daß Metall zersetzt wird. Das haben wir ja erlebt. Nicht nur Eisen, sondern auch jedes andere Metall. Meine Gürtelschleife aus Messing, der Aluminiumkoffer, der Blechdeckel der Gläser…«
»Und das Amulett weigerte sich, in den Einflußbereich dieses… dieses Etwas gebracht zu werden, weil es nicht umgeformt werden wollte«, ergänzte Nicole.
Zamorra nickte.
»Ich habe bisher zu wenig in diese Richtung gedacht«, sagte er. »Aber dieses Monster im Keller muß in der Lage sein, Metall in sich aufzunehmen und zu verwandeln. Wahrscheinlich gewinnt es Kraft daraus.«
»Ein Vampir«, sagte Nicole.
Zamorra hob verblüfft die Brauen. »Vampire, die Eisen verschlingen, sind mir neu.«
»Mir nicht! Jeder Vampir ist ein Eisenfresser, oder besser ein Eisentrinker, weil sich Spuren von Eisen im menschlichen Blut befinden, das der Vampir trinkt…«
Zamorra stutzte. »Du glaubst also, daß es sich um einen Vampir
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