0437 - Schirmherr der Zeit
schnelle kurze Vorstöße führen. Als die Lagerfeuer aufflammten, teilte Lasallo die Wachen ein, denn trotz des Energiezauns waren wir nicht unangreifbar. Ein massierter Angriff von Dracos beispielsweise konnte den Energiezaun unterbrechen. In dem Falle würde nur eine schnelle Flucht helfen.
Ich wurde zusammen mit Levtron und einem anderen Mann für die beiden Tageseinheiten nach Mitternacht eingeteilt. Unsere Zeiteinteilung auf Lotron war nicht willkürlich gewählt. Wir hatten ihr solche fundamentalen Daten wie planetare Rotationsdauer, Mondphasen und Umlaufzeit um die Sonne zugrunde gelegt. Eine Tageseinheit beispielsweise entsprach einem Vierundzwanzigstel der Rotationsdauer. Nachdem die Morgas versorgt waren, fanden sich um die einzelnen Feuer kleine Gruppen zusammen und bereiteten ihre Mahlzeit. Es handelte sich in der Hauptsache um Büchsen- oder Tiefgefrierkost sowie um Konzentrate. Bei einer früheren Jagdexpedition hatten wir einmal versucht, das Fleisch von frisch erlegten Tieren an Drehspießen über den Feuern zu braten. Es schüttelte mich noch heute, wenn ich nur daran dachte.
Schon das Enthäuten und Ausweiden war eine ekelhafte Arbeit gewesen. Als wir dann gesehen hatten, wie aus unseren Bratenstücken das Blut triefte ... !Fast alle Teilnehmer waren von Übelkeit erfasst worden und hatten sich übergeben müssen. Ich schob meine Menüplatte in den atomaren Aufwärmer. Merceile wartete neben mir darauf, dass ihre Menüplatte aufbereitet wurde.
Wir unterhielten uns über die letronischen Bios.
„Es ist eine Schande", flüsterte Merceile, „wie man mit der Erbmasse der hiesigen Primaten experimentiert. Wenn man diese scheußlichen Fehlschläge nicht ausschließen kann, sollte man meiner Meinung nach das Projekt einstellen."
„Warum sagen Sie das nicht Levtron?" erwiderte ich ironisch. Der düstere Levtron genoss seltsamerweise ihre Sympathie, was ich einfach nicht begreifen konnte.
„Mit ihm kann man nicht darüber diskutieren", entgegnete sie heftig.
„Mit wem kann man überhaupt darüber diskutieren!"
Die Frage war nur rethorisch gemeint.
„Mit Lasallo ebenfalls nicht. Er ist zwar zugänglicher als Levtron, aber was die Aufgabe angeht, lässt er sich ebenfalls nicht beirren."
„Warum unternehmen Sie nichts dagegen, Ovaron?" fragte Merceile beschwörend. Ich schloss die Augen, denn in diesen Augenblicken war Merceile noch bezaubernder und begehrenswerter als sonst. Wenn ich in der Lage gewesen wäre, das Bioprogramm auf Lotron abzubrechen, hätte ihre Zuneigung sich wahrscheinlich mir zugewandt. Doch auf diese Art und Weise wollte ich sie nicht für mich gewinnen.
„Ich kann nichts tun, was Lasallos Missfallen erregen würde", erklärte ich.
„Und Levtron überwacht mich heimlich. Er würde sofort zu Lasallo laufen, wenn ich ihm den geringsten Grund zu einem Verdacht gäbe."
„Aber Sie verurteilen die genetischen Experimente auch, nicht wahr?"
Eine innere Stimme verriet mir, mich niemandem anzuvertrauen.
Meine Geheimaufgabe - die ich überhaupt nicht kannte - durfte nicht durch eine Unvorsichtigkeit gefährdet werden. Ich musste meinen hohen Rang behalten, wenn ich sie erfüllen sollte.
Dennoch beantwortete ich Merceiles Frage wahrheitsgemäß. Ich konnte das Mädchen, das ich insgeheim liebte, nicht anlügen.
„Ich verabscheue sie zutiefst, Merceile!" stieß ich hervor. Sie holte tief Luft. Offenbar hatte sie in meinem Gesicht etwas gesehen, was sie erschreckte, weil es ihr Einblick in meine Gefühle vermittelte.
„Sie hassen Levtron", stellte sie tonlos fest.
Ich dachte darüber nach. Hasste ich Levtron wirklich? Konnte man meine Gefühle für ihn so definieren? Und hasste ich ihn vielleicht wegen seiner negativen Charaktereigenschaften? Oder nur wegen seiner Tätigkeit?
„Nein, ich glaube nicht, dass ich ihn hasse", sagte ich schließlich.
„Wahrscheinlich verachte ich ihn, weil er sich mit seiner verabscheuungswürdigen Aufgabe identifiziert."
„Aber er hasst Sie, nicht wahr?"
Ich lachte rauh.
„Das stört mich nicht. Im Gegenteil, von einem Cappin wie Levtron gehasst zu werden, bedeutet für mich eine Auszeichnung.
Sollte er mich eines Tages sympathisch finden, müsste ich mich selbst verachten."
Merceile wollte noch etwas dazu sagen, aber in diesem Moment kamen zwei Frauen und ein Mann, die ebenfalls ihre Mahlzeit aufwärmen wollten. Kurz darauf glitt Merceiles Menüplatte aus dem Aufwärmfach. Sie wartete nicht auf mich, obwohl sie wusste, dass meine
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