0438 - Schlangenhand
Stufen glitten und gegen uns geweht wurden.
Ich war der Meinung, in eine Welt der Angst hinabzusteigen. Hier unten gab es kein Licht. Irgendwo würde der Mönch auf uns lauern.
Möglicherweise, um dem Teufel ein Opfer zu bringen, das sich aus Suko und mir zusammensetzte.
Von manchen Stellen hingen Spinnweben herab. Wenn sie durch mein Gesicht strichen, hatte ich das Gefühl, von den Fingerkuppen irgendwelcher Totenhände gestreift zu werden.
Die uns begleitenden Wesen gingen nicht hintereinander die Stufen hinab. Sie nahmen die gesamte Breite ein. Ihre Schritte knirschten, wenn kleinere Steine unter den Sohlen zerbrachen. Hin und wieder schabten sie auch gegeneinander, dann entstanden trocken klingende Geräusche.
Stufe für Stufe der langen Treppe ließen wir hinter uns. Die Luft veränderte sich. Sie roch feuchter, war schlechter zu atmen, ich hatte einen fauligen Geschmack im Mund, der mich an brackiges Wasser erinnerte.
Für mich ein Zeichen, daß wir uns dem Fluß oder dem Meer näherten.
Lissabon liegt an der Mündung des Tejo.
Die Stadt umgab den Strom. Sie war, wie auch Rom, auf mehreren Hügeln gebaut worden, und in den Tälern zwischen ihnen standen die Häuser der Altstadt und der weniger privilegierten Menschen. Dort herrschte oft genug eine dumpfe Feuchtigkeit.
Wir atmeten etwas von dieser Feuchtigkeit ein, aber auch ein salziger Geschmack legte sich auf meine Zunge.
Jede Treppe hat ein Ende. Auch die, über die wir schritten. Unser Ziel war eine gewaltige Höhle. Vielleicht lag sie unter einem der Hügel, denn ihre Ausmaße waren für mich nicht übersehbar.
Wir blieben stehen.
Diaz ging vor. Er passierte mich an der rechten Seite. Erst jetzt sah ich, daß er eine Fackel in der Hand hielt. Je weiter er sich von uns entfernte, um so mehr wurde die Dunkelheit zerrissen.
Manchmal hatte ich den Eindruck, als würde ein kühler Luftzug gegen mein Gesicht streifen. Das konnte aber auch Einbildung sein, da ich keinen Höhlenausgang entdeckte.
Diaz blieb stehen. Weder Suko noch ich wußten, was er hier unten zu suchen hatte. Wollte er den Mönch mit der Schlangenhand suchen?
Es konnte durchaus sein, aber noch entdeckten wir Vasco nicht. Statt dessen winkte uns Diaz zu.
Wir gingen näher und entdeckten jenseits von ihm den kompakten Schatten, der noch vom unruhigen Widerschein der Flammen umtanzt wurde. Erst nach weiteren Schritten erkannten wir die Wahrheit.
Wir sahen Vasco, und wir sahen Asmodis!
Beide bildeten eine Einheit, denn der Mönch hockte auf einem Thron, der aus steinernen Schlangen bestand, die allesamt die dreieckige Fratze des Teufels aufwiesen…
***
Als sie über eine der zahlreichen Steinbrücken gelaufen waren, kippte Nina zur Seite und hielt sich am Geländer fest. Sie drückte ihren Rücken gegen das Gestänge aus Eisen, hatte die Augen verdreht und holte tief Luft. Auf ihrem Gesicht lag eine glänzende Schicht, der Atem pfiff aus ihrem Mund. »Ich kann nicht mehr weiter!«
Auch Jorge war von dem langen Lauf erschöpft. Er packte sie aber an der Schulter und schüttelte sie durch. »Du mußt!« fuhr er sie ani »Hast du gehört? Du mußt weiter!«
»Und wenn ich nicht will?«
Er lachte sie an. »Werde ich dich zwingen, verdammt! Ich will, daß du weiterläufst!«
Sie riß sich zusammen. »Wohin?« rief sie laut. »Wohin willst du mit mir?«
»Wir müssen ihn finden.«
»Ihn, ihn! Ich höre immer nur ihn, verflucht! Ist er denn so wichtig für dich?«
»Ja, er rettete mir das Leben. Ich habe es ihm zu verdanken, und er will, daß ich ihm das Amulett bringe. Ich bin sein Bote, begreifst du das?«
Sie nickte heftig. Längst hatte sie ihre Mütze abgestreift und das Haar gelöst. Es fiel bis auf ihre Schultern. »Ich begreife, daß du sein Bote bist, aber ich habe nichts damit zu tun. Ich bin nicht seine Botin. Ist das klar?«
»Das weiß ich!«
»Dann laß mich gehen!«
»Nein.« Seine Antwort klang so hart und endgültig, daß Nina wieder erschrak.
»Warum willst du mich mitnehmen? Ich… ich… verschwinde. Ich will nicht in das Verderben mit hineingerissen werden. Hast du das nicht begriffen, verdammt?«
»Wenn ich dich laufenlasse, wirst du die Bullen alarmieren. Ich kenne dich.«
»Und wenn ich verspreche, daß ich es nicht tue?«
Er preßte seine, Hände gegen ihre Wangen und spürte das Zucken der Haut. »Was sind deine Versprechen wert? Was ist das Versprechen einer Straßenräuberin wert, he?«
»Das kannst du nicht vergleichen.«
»Doch, du hast
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