0438 - Sie wollten mich ans Messer liefern
kamen. Als der Lieferwagen die Washington Bridge passiert hatte, wiegte sich Grover bereits in einem trügerischen Gefühl der Sicherheit. Er warf die Säcke ab, die ihm bisher Deckung gewährt hatten, und kroch an die hintere Bordwand heran. Als der Wagen in Morris Heights an einer Kreuzung stoppte, sprang er ab. Durch Nebenstraßen suchte er an die Geleise der NYCRR heranzukommen. Die Tremont Station mußte in zwanzig Minuten zu erreichen sein.
Grover sah zwar ziemlich ramponiert aus, doch die geglückte Flucht verlieh ihm neuen Mut.
Seine ursprüngliche Absicht, sich einen neuen Anzug zu verschaffen und mit den Bucks die nächste Kursmaschine nach Rio zu besteigen, gab er auf. Er war den Bullen so elegant zwischen den Fingern durchgerutscht, daß er ruhig daran denken konnte, noch hunderttausend Dollar mehr zu machen.
Doch ein schweres Stück Arbeit lag noch vor ihm. Der Gangsterboß glaubte fest daran, daß Homer ihn nicht belogen hatte. Irgendwo in dieser Gegend mußte; Stan Baxters Schwester leben.
In der nächsten Ecke erblickte Leslie die blaue Uniform eines Cops. Er hätte ihn nur zu fragen brauchen. Der Bulle kannte sicher die meisten Leute hier. Doch aus naheliegenden Gründen bog Grover lieber in die nächste Seitenstraße ein. Er hatte wirklich keine Lust nachzuprüfen, ob man bereits nach ihm fahndete.
Vor einem Gebäude mit rissigem Verputz staute sich eine Gruppe junger Burschen mit Fahrrädern. Leslie stockte. Was war hier los? Aber dann belehrten ihn die dicken Packen auf den Gepäckständern: Zeitungsjungen, die die sich ihre Fracht abholten.
Besser hätte er es nicht treffen können. Die wußten vielleicht noch genauer Bescheid als die Cops. Die Kerle hatten es verdammt eilig, sich ihr Taschengeld zu verdienen, aber es gelang ihm doch, ein paar von ihnen abzufangen. »Baxter? Nicht in meinem Zustellbezirk, Mister. Fragen Sie den da!« Der Junge schwang sich auf sein Fahrrad und strampelte los.
Grover wandte sich an den nächsten.
»Wieviel Baxter wollen Sie haben? Ich kenne ein halbes Dutzend Leute, die so heißen. Welcher soll’s denn sein?«
»Jeder kann es sein!« sagte Grover und lüftete einen Zehn-Dollar-Schein. »Hast du Papier und Bleistift zur Hand?«
Der Junge riß eine Zeitung aus dem Stapel und einen Kugelschreiber aus der Tasche.
»Schreiben Sie es auf den Rand!« Eifrig diktierte er.
Grover, faßte an die Lenkstange und hinderte den Jungen, abzubrausen.
»Es kann sein, daß mein Mann gar nicht Baxter heißt.«
Der Junge starrte ihn verwundert an.
»Wie dann?« Das ging über seine Verstandesfähigkeiten, aber die zehn Bucks hinderten ihn, diesen Verrückten einfach stehen zu lassen.
»Es handelt sich um eine Jugendfreundin von mir«, sagte Grover. »Wenn sie jetzt verheiratet ist, heißt sie natürlich nicht mehr Baxter. Verstehst du?«
»Verstehe«, kaute der Junge zwischen seinen Zähnen hervor. »Warten Sie mal! Vielleicht meinen Sie Mrs. Collum. Da war gestern ein Bruder zu Besuch, und der hieß Baxter.« Er blies den Kaugummi vor seinen Lippen zu einem kleinen Ballon auf. Aber gleich darauf erinnerte er sich, daß nicht alle Leute für solche Kunststückchen das richtige Verständnis mitbringen und drückte den Bubble Gum mit der Zunge am Gaumen fest.
»Natürlich! Wenn der Bruder Baxter heißt, dann muß sie früher auch so geheißen haben.«
Grover opferte weitere zehn Dollars und notierte sich die Adresse auf dem Rand seiner Zeitung.
»Wie sah dieser Baxter aus? Kannst du ihn mir beschreiben?« Als er aufblickte, war der Junge weg. Er flitzte eben um die Ecke, den Riesenstapel Zeitungen auf seinem Gepäckträger mit der linken Hand festhaltend.
Mindestens acht Adressen hatte der Boß auf dem Rand seiner Zeitung vermerkt. Aber die Adresse von Mrs. Collum schien die meiste Aussicht zu haben.
Leslie Grover machte sich auf den Weg. Fünf Minuten später stand er vor dem Haus in der 174. Straße. Er drückte die Haustür auf und atmete einen muffigen Geruch ein. Doch das scherte ihn jetzt nicht. Es beruhigte ihn sogar. Das war genau die Atmosphäre, in der eine Schwester Stans leben mochte.
Einen Lift gab es hier nicht. Schwer atmend stieg er die drei Treppen hoch. An einer Tür hing ein kleines Stückchen Pappkarton, mit einer Reißzwecke festgemacht. Leslie Grover preßte seinen Daumen auf den Klingelknopf.
Eine Frau in den Dreißigern öffnete ihm. Sie sah ungewaschen, verschlafen und ein bißchen älter aus, als es ihren Jahren eigentlich zukam. Grover
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