0439 - Nacht der Hexen
durchforschte ihre Erinnerung. Und da blitzte es in ihr auf.
Atlanta, im amerikanischen Staat Georgia! Dort war ihr der Dämonenjäger entgegengetreten, dessen Weiße Magie sie jetzt wieder spürte. Sie erinnerte sich nur zu gut an ihn. Professor Zamorra! Er und seine Begleiterin hatten Stygia eine empfindliche Niederlage beigebracht. Eine schmerzhafte Niederlage. Sie hätten es fast fertiggebracht die Dämonin zu töten! Erst im buchstäblich allerletzten Augenblick hatte sie sich dem weißmagischen Vernichtungsschlag entziehen können…
Zamorra war hier!
Er war ganz in der Nähe! Er kam hierher! Bedeutete das, daß er den drei Hexen auf der Spur war?
Tief atmete Stygia ein, und als sie die Luft wieder aus den Nüstern stieß, züngelten Flammen und stank es nach Schwefel.
Zamorra…
Er würde ihr die drei Hexen natürlich spielend leicht vom Leibe schaffen können. Sie brauchte sich darum keine Sorgen mehr zu machen. Wenn es jemanden gab, der mit ihnen aufräumte, dann war es dieser Dämonenjäger.
Aber…
Er war auch Stygias Todfeind. Sie hatte ihm Rache geschworen. Die damalige Niederlage fraß an ihr. Zamorra mußte sterben. Wenn sie ihn gewähren ließ, sich nicht einmischte, verriet sie ihren Racheschwur. Hier hatte Stygia die Möglichkeit, Zamorra in eine Falle laufen zu lassen. Denn er ahnte mit Sicherheit nichts von ihrer Anwesenheit. Und wenn sie Zamorra besiegte oder ihm zumindest schweren Schaden zufügte, steigerte das ihr Ansehen in den Schwefelklüften. Sie durfte nicht vergessen, daß sie Leonardo deMontagne entthronen wollte. Dafür brauchte sie Macht, Einfluß, Erfolg. Was zählte da mehr als ein Sieg über Zamorra, den größten Feind der Höllischen?
Stygia zögerte. Sie war ratlos und schwankte zwischen zwei Entscheidungen. Sich die Hexen vom Hals schaffen, oder Zamorra mit ihrer Hilfe angreifen?
Allmählich begann sie sich zu einem Entschluß durchzuringen…
***
»Beobachtet?« fragte Ted Ewigk. Er trat auf die Bremse und hielt den Wagen an. Neben ihm zuckte Zamorra unwillkürlich zusammen. »Fahr wei… was ist?« unterbrach er sich, angestrengt bemüht, den Amulett-Kontakt nicht abreißen zu lassen. Wenn er völlig aus seiner Halbtrance gerissen wurde, in der er immerhin noch Umwelteinflüsse wahrnehmen konnte, mußte er das Vergangenheits-Ziel neu ansteuern. Das kostete Zeit und Kraft. In seinem derzeitigen Zustand dachte er langsamer, schwerfälliger. Er lebte in zwei verschiedenen Zeitebenen.
»Kontakt halten«, befahl Ted. »Kümmere dich um nichts anderes.« Er wandte sich zu Nicole um. »Was meinst du mit ›beobachtet‹?«
»Jemand sieht uns«, sagte die Französin schulterzuckend. »Wir befinden uns in einer Art Fokus. Einem Brennpunkt…«
»Magie?«
»Vielleicht. Ich kann’s nicht näher definieren.«
»Richtung?«
Abermals zuckte sie mit den Schultern.
Ted brachte den Wählhebel der Automatik in die Leerlaufstellung und trat das Pedal der Feststellbremse nieder. Er griff in die Tasche seiner Lederjacke und zog einen blau funkelnden Kristall hervor. Es war einer der beiden mächtigsten Dhyarra-Kristalle, die es im gesamten Multi-Universum gab: ein Machtkristall 13. Ordnung.
»Was hast du vor?« fragte Nicole.
»Zamorra muß mit dem Amulett den Zeitkontakt halten. Ich will versuchen, ob ich herausfinde, wer uns im Visier hat.«
Er stieg aus.
Nicole, die hinter ihm saß, klappte die Sitzlehne vor und glitt ebenfalls ins Freie. »Du solltest dir ein größeres Auto zulegen«, lästerte sie. »Einen vernünftigen Viertürer, damit man sich beim Ein- und Aussteigen nicht die Glieder verrenkt. Du solltest dir wieder einen Rolls-Royce kaufen, wie damals…«
»Und bei jeder Fahrt an die Bombe erinnert werden, die den Wagen zerstörte und mich für Monate an den Rollstuhl fesselte?« Ted winkte ab. Er sah sich um, warf dann einen Blick zum Sternenhimmel. »Sag mal, sehe ich recht? Seit wann fliegen die Viecher denn auch bei Nacht?«
Über ihnen zogen zwei Raben ihre Kreise.
Nicole schürzte die Lippen.
Raben…?
Zwei…?
Das erinnerte sie an etwas. Wo war das noch gleich gewesen?
Mexiko!
Der See mit dem menschenfressenden Ungeheuer, das eine Riesenschlange mit Krakenarmen gewesen war… da waren doch auch zwei Raben am Himmel gewesen, Vögel, die in jener Gegend doch eigentlich überhaupt nichts zu suchen hatten!
Ohne jenes Abenteuer hätte Nicole sich beim Auftauchen dieser Vögel überhaupt nichts gedacht, die hier nicht unbedingt untypisch waren. Aber
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