0439 - Nacht der Hexen
Ewigk mußte seinen Sternenstein suchen. Der leuchtete zwar noch, aber trotzdem konnte der Reporter ihn nicht entdecken. Wahrscheinlich war der Kristall in den Graben geflogen, oder hing zwischen Strauchwerk von Blättern verdeckt fest…
Unterdessen tobte sich der Angreifer aus dem Unsichtbaren heraus weiter aus! Bäume kippten über die Straße, schlugen mit ihren Ästen nach Nicole und Ted. Der sah plötzlich ein bläuliches Schimmern.
Mit einem Hechtsprung erreichte er den Dhyarra-Kristall, der am Straßenrand zwischen Unkrautbüscheln lag. Aus den Augenwinkeln sah er einen Schatten auf sich zurasen - einen schon gefällten Baum, der jetzt wieder hochgerissen wurde und auf Ted zurauschte.
Der Reporter rollte sich in den Graben. Er preßte sich tief hinein, war froh, daß es nach der Hitzeperiode der letzten Wochen nicht mal einen einzigen Tropfen Wasser mehr darin gab, und schützte seinen Kopf mit den Armen vor den Ästen, die über ihn hinwegstreiften. Dann konzentrierte er sich auf den Einsatz des Machtkristalls.
Er stellte sich eine gesichts- und geschlechtslose Person vor, die mit geisterhaften Händen die Bäume dirigierte, ihre Magie wirken ließ. Und er stellte sich Bäume vor, die sich gegen diese Magie wandten, gegen die Kraft anarbeiteten, die sie steuerte.
Der Dhyarra-Kristall setzte den Willen seines Benutzers in die Tat um.
Von einem Moment zum anderen wechselte das Bild. Bäume jagten die Straße entlang, Richtung Rom. Dort flirrte plötzlich die Nachtluft, schienen Blitze dicht über dem Boden zu zucken. Ein gellender Schrei kam aus der Ferne, eine wilde Verwünschung. Dann war der bizarre Spuk vorbei.
Es wurde ruhig.
Ted richtete sich auf. Der Kampf war vorbei, der Angriff zurückgeschlagen. Der Angreifer war entweder besinnungslos, tot oder geflüchtet. Ted nahm letzteres an. Er hatte den Dhyarra-Kristall nur mit einem Bruchteil seiner Kraft arbeiten lassen. Er hatte nur so viel Energie gefordert, wie ausreichte, um die des Angreifers gegen ihn selbst zu richten.
Ein krächzender Schrei aus der Luft durchdrang die jähe Stille. Ted sah zum Nachthimmel hinauf. Die beiden Raben flogen gen Norden davon.
***
Der Einäugige war schockiert.
Er hatte die blitzschnell und nur für einen kurzen Augenblick wirksam werdende Kraft des Machtkristalls gespürt.
Ein MACHTKRISTALL!
Es gab keinen Zweifel. Dhyarra-Kristalle dieser Stärke brauchten nur wenige Sekundenbruchteile lang eingesetzt zu werden, kaum länger, denn wer einen Machtkristall richtig beherrschte, konnte damit Planeten auseinandersprengen. Doch so kurz dieses Aufblitzen gewesen war, so charakteristisch war es auch. Der Einäugige wußte Machtkristalle zu erkennen, wenn sie eingesetzt wurden.
Daß ein Dhyarra-Kristall und Merlins Zauber zusammenwirkten - etwas, das doch nicht sein durfte, weil sich beide Kräfte nicht miteinader vertrugen - hatte er vor kurzer Zeit schon feststellen müssen. Deshalb war er in diese Welt gekommen.
Doch er hatte nicht gewußt, daß es sich um einen Machtkristall handelte!
Daß der ERHABENE der DYNASTIE DER EWIGEN selbst seine Hände im Spiel hatte!
Das war schlimm. Wenn der ERHA-
BENE sich Merlins Magie bedienen konnte, dann bestand höchste Gefahr für die Weltenordnung!
»Merlin, du verdammter alter Narr… hast du das nicht sehen können? Warum läßt du es zu?« keuchte der Wanderer der Welten. » Merlin, warum tust du nichts, um die Katastrophe zu verhindern? Bist du blind geworden, Alter? Oder bist du ein Verräter an dir selbst und deiner Aufgabe? Sind wir Feinde oder Freunde…? Merlin…?«
Und er rief seine Raben zurück, seine Kundschafter, durch deren Augen er sah und die ihm berichteten, was in der Welt geschah. Er wollte sie nicht gefährden. Wenn der ERHABENE in der Nähe war, mochte es sein, daß er die Raben erschlug, wenn er sie bemerkte.
Der Einäugige mußte bedenken, was nun zu tun war. Wenn Merlin nicht eingriff, lag es an ihm selbst , etwas zu unternehmen. Doch zunächst mußte er seine Eindrücke ordnen und verarbeiten…
***
Terzia war entsetzt geflohen, als ihre Magie plötzlich gegen sie selbst gekehrt wurde. Damit hatte sie in diesem Stadium nicht mehr gerechnet. Die Gefahr war viel größer, als sie gedacht hatte. Niemals hätte sie es für möglich gehalten, daß ein Fremder kam und sich als stärker erwies…
Aber es war geschehen. Fluchtartig hatte sie sich zurückgezogen. Sie mußte erst wissen, wer der Feind war, wie stark er war, ehe sie die nächsten
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