044 - Die Millionengeschichte
überlegte.
»Es wird sich nicht lohnen«, sagte er dann ruhig. »Wir sind auf der falschen Spur. Wenn wir zur Stadt zurückkehren, werden wir wahrscheinlich feststellen, daß sie entkommen ist.«
Blessington sah ihn verblüfft an.
»Ich habe mich getäuscht. Man soll doch immer nur nach Tatsachen gehen und nicht so wilde Theorien aufstellen. Ich habe mich zu sehr von meiner Phantasie leiten lassen.«
»Aber Sie meinten doch vorher -«, entgegnete der Detektiv.
Jimmy lachte.
»Ich war eben auf dem Holzweg.« Er nahm den Inspektor am Arm, und sie gingen zu ihrem Boot zurück.
»Aber -«, protestierte Blessington aufs neue.
»Gehen Sie immer geradeaus und reden Sie nichts. Wenn Sie einen Schuß hören, werfen Sie sich sofort auf den Boden. Sagen Sie, bin ich eigentlich rot geworden? Das passiert mir nämlich immer, wenn ich jemand sehe, der mit einem Gewehr auf mich zielt.«
16
Am Morgen war Faith Léman in bester Stimmung aufgewacht. Sie freute sich, daß sie so lange geschlafen hatte, denn nun war der Zeitpunkt nahe herangekommen, an dem sie Jimmy wiedersehen würde. Das ganze Leben lag jetzt herrlich vor ihr. Sorgen, Kummer und Furcht waren verschwunden. Am liebsten hätte sie laut singen mögen. Sie hatte Jimmy versprochen, sich zum Ausgehen fertigzumachen, und er wollte sie vor dem Mittagessen abholen. Um elf Uhr war sie fertig. Kurz darauf klingelte das Telefon.
»Sind Sie am Apparat, Miss Léman?« fragte John Sands.
Sie erkannte ihn an der Stimme.
»Ja.«
»Ich möchte Sie kurz sprechen, wenn Sie soviel Zeit für mich übrig haben. Ich muß Ihnen etwas mitteilen, was mir Ihr Onkel gesagt hat und was bis jetzt noch nicht an die Öffentlichkeit kam.«
»Wäre es nicht besser, wenn Sie darüber mit Mr. Cassidy sprächen?« erwiderte sie zögernd. »Er kommt zwischen elf und zwölf ins Hotel zurück.«
»Es wäre mir lieber, wenn Sie die Sache später Mr. Cassidy mitteilten. Er braucht nicht gerade zu wissen, daß ich Ihnen diese gute Nachricht brachte, denn er ist aus irgendeinem Grund argwöhnisch und sieht unsere Bekanntschaft nicht gern. Aber Sie wissen ja, Miss Léman, daß ich stets das Bestreben hatte, Ihr Leben möglichst angenehm zu gestalten und Sie vor Sorgen und Unannehmlichkeiten zu schützen.«
»Ja, das weiß ich«, entgegnete sie herzlich. »Und Jimmys ich meine Mr. Cassidys Ängstlichkeit und Besorgnis sind ja unter den augenblicklichen Verhältnissen auch zu verstehen, nicht wahr?«
»Selbstverständlich. Ich will ihm keinen Vorwurf machen.«
»Wo wollen Sie mich denn sprechen?«
»Kommen Sie doch zur Ecke der Blane und Oxford Street. Nehmen Sie kein Taxi, und falls Sie Mr. Cassidy begegnen sollten, sagen Sie ihm bitte nicht, daß Sie mich treffen wollen. Oder soll ich ihn lieber Jimmy nennen?«
Sie hörte, daß er leise lachte, und errötete leicht.
Als sie zu dem Treffpunkt kam, sah sie John Sands schon von weitem an der Ecke der beiden Straßen warten. Er war elegant und tadellos gekleidet.
»Ich habe ein Auto hier, wir wollen einsteigen. Während der Fahrt können wir bequemer miteinander sprechen und werden auch nicht zusammen beobachtet. Ich hätte Sie ja bitten können, mich in meiner Wohnung in der Charles Street aufzusuchen, da aber keine Dame in meinem Haus ist, habe ich davon abgesehen.«
Sie war angenehm berührt von dem Takt, den er ihr gegenüber an den Tag legte, und das alte Vertrauen zu ihm lebte wieder auf.
»Ich weiß, daß Sie sehr gut zu mir waren, Mr. Sands, und meine Interessen meinem Onkel gegenüber immer vertreten haben«, sagte sie herzlich. »Und ich werde auch nicht vergessen, was Sie für mich getan haben.«
Ihre Worte gefielen ihm außerordentlich, und er sagte ihr das auch in höflicher Form.
»Ich stelle Ihre Freundschaft allerdings auf eine harte Probe«, fuhr er dann fort. »Ich möchte Sie bitten, Ihre Verabredung mit Jimmy heute vormittag aufzugeben und mit mir aufs Land zu kommen. Ich habe nämlich Mrs. Léman gefunden.« Sie sah ihn neugierig an.
»Wie ist denn das möglich, daß Sie sie gefunden haben? Sie lebt doch zur Zeit in Frankreich?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nein, sie wohnt in England; sie war sogar die ganze Zeit hier, aber das ist eine sehr lange Geschichte, und ich will Sie im Augenblick nicht damit belästigen. Miss Léman, wissen Sie, daß Sie eine sehr reiche Dame sind?«
»Ich?« fragte sie erstaunt.
»Bevor Ihr Onkel starb - niemand beklagt seinen Tod mehr als ich -, hat er ein Testament zu Ihren Gunsten
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