0442 - Der Blick ins Jenseits
Jenseits ist also geöffnet worden!« sprach der Abbé und nickte gleichzeitig. »Aber ich bin gekommen, um es zu schließen. Der Tod soll seinen Stachel verlieren. Deine Zeit, Sensenmann, ist noch nicht gekommen. Du wirst warten müssen, auch wenn du dein ureigenes Reich verlassen konntest.«
»Wer bist du?«
»Abbé Bloch!«
Das Skelett lachte schaurig. »Auch dir wird es nicht gelingen, mich zu stoppen. Das Orakel läßt sich nicht betrügen. Die Wand ist offen. Das Kreuz hat sie geöffnet. Der Sohn des Lichts schaffte es, den Weg für die Kräfte der Hölle freizumachen. Was vor langer Zeit gesät wurde, trägt heute seine Früchte. Die Mächte der Finsternis werden die Regie übernehmen. Die im Jenseits lauernden Kräfte haben es endlich geschafft. Wir mußten lange warten, bis wir die Falle stellen konnten. Nun aber ist sie zugeschnappt. Niemandem wird es mehr gelingen, dieses Tor zu schließen. Das Fenster bleibt offen.«
Der Abbé reckte sich, als er die folgende Antwort gab. »Einer hat es geschafft. Hector de Valois!«
»Ja!« donnerte das Skelett zurück. »Das ist mir bekannt. Aber ihn gibt es nicht mehr.«
»Er wurde in John Sinclair wiedergeboren.«
»Der besitzt nicht das Wissen aus dem Buch der grausamen Träume, das so dicht und dennoch unerreichbar vor ihm liegt. Er hat sich in Sinclairs Kreuz gezeigt, aber Sinclair hat die Warnung nicht verstanden. Er sprach die Formel und bereitete mir den Weg. Niemand weiß es.«
»Bis auf eine Ausnahme«, erklärte der Abbé mit fester Stimme. »Und diese Ausnahme bin ich. Ich habe Kontakt mit dem Geist des Hector de Valois aufgenommen. Wir sind die Hüter seines Skeletts, und dieses Skelett wußte genau, was sich da anbahnte, deshalb hat es mich geschickt, um das Kräfteverhältnis wieder ins Lot zu bringen. Man wollte den Sohn des Lichts von dieser Welt nehmen, das kann ich nicht zulassen. So etwas wird nie geschehen, dafür stehe ich gerade.«
»Willst du es schließen?«
»Ja.«
»Dann versuch es.«
»Sicher!«
In diesem Moment schleuderte der Abbé den Bumerang!
***
Ich hatte jedes Wort der Auseinandersetzung mitbekommen und konnte es noch immer nicht fassen. Ich glaubte, einen Traum zu erleben. Alles kam mir so unwirklich vor, vielleicht auch deshalb, weil ich am Boden lag und nicht eingreifen konnte.
Die Worte der beiden rauschten an meinen Ohren vorbei. Ich vollzog sie so gut wie nicht nach, sah aber die heftige Bewegung des Abbés, wie er den Buirierang schleuderte.
Und die Waffe traf.
Kurz zuvor hatte das Skelett noch seine Sense hochgerissen. Das blanke Blatt sollte ihn gegen den Bumerang schützen, und die gebogene Klinge stand halbmondförmig in die Höhe.
Ich hörte das Klirren und wußte Bescheid.
Sosehr sich der Abbé auch angestrengt hatte, er war nicht schnell genug gewesen, das Skelett hatte die Waffe abwehren können, die trotzdem ihre starke Magie entfaltete, denn es gelang ihr, durch kreisende Bewegungen, den Stahl der Klinge zu zerstören.
Plötzlich war die Sense nur noch halb so groß, und als die Spitze zu Boden fiel, war dies für mich so etwas wie ein Startschuß.
Es war meine Chance.
Mit einem heftigen Ruck drehte ich mich herum und hatte das Buch der grausamen Träume in den Händen. Mit einem Sprung kam ich auf die Füße und hechtete zusammen mit dem Buch und dem Kreuz gegen das Skelett.
Ein Schrei der Erlösung raste aus meinem Mund. Ich wollte es töten, aber ich fiel hindurch.
Plötzlich war es durchscheinend geworden, nur noch als Hologramm zu erkennen. Es schwebte bereits innerhalb des Fensters. Das erkannte ich in dem Augenblick, als ich stolperte und fast gefallen wäre.
Aber ich hatte das Buch.
Ein langer Traum war endlich Wahrheit geworden. Wenn ich die richtigen Seiten aufschlug, es einsetzte und…
Ich versuchte es, warf aber dabei dem Skelett einen Blick zu, das in dem magischen Hologramm schwebte.
Dann schlug ich das Buch auf.
Nicht die eine oder andere Seite, ich hielt es schräg und drückte mit dem Daumen gegen die aufeinandergepreßten Seiten, so daß sie auseinander flatterten.
Schrift und Bilder wechselten sich ab.
Die mit Dämonenblut geschriebenen Worte reagierten sofort, als ich das Buch aufschlug, denn zwischen den schnell aufgeschlagenen Seiten entstanden dünne Qualmwolken, die wieder verschwanden, wenn das Buch zusammenklappte.
Mich interessierten die Bilder.
Und ich sah Dinge, die ich auch schon kennengelernt hatte. Es waren huschende Eindrücke, die ebenso schnell
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