0442 - Der Blick ins Jenseits
gewisse Ruhe und Gelassenheit aus. Er saß konzentriert hinter dem Lenkrad, während Jane neben ihm die Hände ineinander verdreht hatte, mit sich selbst sprach und immer wieder davon redete, daß die einzige Chance genutzt werden mußte.
»Wir müssen es schaffen. Wir müssen ihn befreien, Suko. Verstehst du?«
»Klar, nur würde ich meine Hoffnungen ein wenig abschwächen.«
»Weshalb?«
»Es ist viel Zeit vergangen, Jane. Möglicherweise hat es John doch nicht geschafft. Klammere dich nicht zu sehr an den Würfel. Die andere Seite schläft nicht.«
Sie nickte heftig. »Das stimmt, das hat sie auch bewiesen. Nein, sie schläft wirklich nicht:« Jane räusperte sich. »Es wäre furchtbar, wenn John nicht mehr am Leben ist.« Sie schaute aus dem Fenster und sah in der Nähe den dunklen Themse-Strom. »Und weißt du, was mich auch wurmt, Suko?«
»Nein.«
»Daß ich trotz meiner noch in mir schlummernden Hexenkräfte keine Chance habe, etwas für John zu tun.«
»Hast du es denn versucht?«
»Ja, aber vergebens. Ich habe keinen Kontakt zu ihm aufnehmen können. Wahrscheinlich muß ich unter Lebensgefahr stehen, um die Kräfte hervorholen zu können, aber sicher bin ich mir auch nicht. Es ist alles zu undurchsichtig, nicht greifbar. Außerdem muß ich mir darüber im klaren werden, daß ich, wenn die Hexenkräfte wieder so stark hervorbrechen, auch zu einer Mörderin werden kann. Das ist mein Fluch, der mich mein Leben lang begleiten wird.«
»Ein Fluch kann manchmal zum Segen werden, Jane.«
»Wie denn?«
»Vielleicht schaffst du es einmal, deine Kräfte zu steuern.«
»Das wäre toll.«
»Meine ich auch.«
Jane sprach weiter. »Als ich diesen Sandro tötete, habe ich mich selbst ja nicht sehen können. Er starrte mich an, und ich hatte das Gefühl, als wäre ich ein Monstrum. Ja, so schaute er mir ins Gesicht. Ich scheine mich verändert zu haben, das finde ich schlimm. Mein Gesicht konnte ich ja nicht sehen, aber die Hand und die Fingernägel, und diese hatten sich verändert. Ich war kein Mensch mehr…«
Nach diesem Satz schwieg die ehemalige Hexe und schaute auf die Rückseiten der vor ihnen rollenden Wagen. Das Wetter hatte sich verschlechtert. Es war kälter geworden, die Wolken lagen tief über der Stadt und entließen ihren Nieselregen, der eine blanke Schicht auf den Asphalt gelegt hatte.
Abgase dampften in der feuchten Luft. Allmählich bildete sich Smog über London. Kein gutes Wetter, auch wenn der Juni gerade erst begonnen hatte.
Bill Conolly befand sich in seinem Porsche irgendwo vor ihnen im Gewühl. Er würde das Ziel früher erreicht haben und sicherlich auf seine Freunde warten.
Das war der Fall. Bill ärgerte sich über den Verkehr und das Wetter.
»Irgendwann schaffe ich mir einen Hubschrauber an. Das ist ja furchtbar, sich auf diese Art und Weise durch den Londoner Verkehr zu quälen.«
Er schüttelte sich, schluckte zweimal und stand schon an der Tür. Zu dritt betraten sie das Gebäude.
Sir James war noch nicht unterrichtet worden. Suko wollte von der Empfangsloge aus mit dem Chef telefonieren. Der als Portier eingesetzte Beamte schob Suko den Apparat rüber. Sein Gesicht drückte Trauer aus, er hatte von Sinclairs Verschwinden oder Tod ebenfalls gehört und wußte auch, wie eng John und Suko zusammengearbeitet hatten.
»Danke.«
»Haben Sie eine Spur, Suko?«
»Nein.« Der Inspektor tippte die Nummer. Sir James hob sofort ab.
Seine Stimme klang nicht mehr so müde wie sonst. Man hörte ihm an, daß er wieder Hoffnung geschöpft hatte.
Suko erklärte, wo sie sich befanden und was sie vorhatten. Sir James fand die Idee sehr gut, bat sich aber aus, ebenfalls dabei zu sein.
»Wir warten in der Halle.«
Suko schob den Apparat wieder zurück und ging zu den anderen beiden.
»Sir James will mitkommen.«
»Das war vorauszusehen«, sagte Bill.
»Natürlich.«
Jane sah auf die Uhr. »Hoffentlich reicht die Zeit. Meine Güte, wir haben Stunden vertrödelt, wenn man es genau nimmt. Aber was hätten wir auch tun sollen?«
»Nichts«, erwiderte Suko. »Als wir erfuhren, daß John nicht mehr lebt, waren wir wie gelähmt. Jedem anderen wäre das ebenso ergangen. Dafür können wir uns keine Schuld geben.«
»Das meine ich auch«, sagte Bill. Er hatte den Superintendenten entdeckt. Sir James blieb am Lift stehen, da sie weiter nach unten fahren mußten, in den Sicherheitstrakt des Yard.
Er begrüßte den Reporter mit einem Kopfnicken.
Im Keller verließen sie den Lift und
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