0444 - Die Nonne mit der Teufelsklaue
»Ich weiß überhaupt nichts!«
»Hat er nie mit dir über mich gesprochen?«
»Kaum!«
Die Nonne lächelte. Es hätte ein feines Lächeln sein können, wenn nicht die starren Augen gewesen wären, die kein Gefühl zeigten. Sie wirkten irgendwie leer.
»Die Menschen lügen noch immer so wie damals, als ich noch lebte, um Trost und Beistand zu spenden. Es hat sich nichts geändert. Deshalb muß ich meiner Pflicht nachkommen.«
»Das Töten ist keine Pflicht.«
»Für mich schon.«
»Aber du bist eine Nonne. Du hast ein Kloster dem weltlichen Leben vorgezogen. Wie kannst du jetzt morden und töten und so grausam sein?«
»Ich gehöre einem anderen!«
»Dem Teufel?«
»Ja, denn er ist zu mir in die Zelle gekommen und hat mit mir gebuhlt.« Plötzlich lachte sie so häßlich, daß diese Lache auch der Teufel hätte abgeben können.
Für Jennifer McFarlaine war es der Beweis, es mit einem grauenhaften Wesen zu tun zu haben.
Was sollte sie tun? Fliehen? Sie würde nicht weit kommen. Und wenn sie um Hilfe schrie, hörte sie auch niemand.
Plötzlich war die Nonne da. Sie stand auf einmal vor ihr. Jennifer hatte nichts gehört und kaum etwas gesehen. Wie ein Geist war die unheimliche Nonne die Stufen der Treppe herabgeschwebt, um die Frau, ihr nächstes Opfer, zu erreichen.
»Ich hole dich…«, hörte Jennifer sie flüstern. »Ich werde dich gern holen …«
Jennifer warf sich vor. Die nackte Angst trieb sie dazu. Sie wollte überleben, schlug gegen die Nonne und hatte den Eindruck, in einen eiskalten Hauch hineinzuschlagen.
Als Geist war man nicht existent.
Diese Erfahrung machte Jennifer McFarlaine in diesem Augenblick.
Aber sie wurde gepackt.
Es war die Teufelsklaue, die sich wie das Gebiß eines Tieres in ihren Nacken geschlagen hatte, nicht nur eisern festhielt, sondern sie auch in die Höhe hob.
Plötzlich schwebte Jennifer über dem Boden. Schreien konnte sie nicht. Die langen Finger hielten sie so umklammert, daß ihr die Luft abgeschnürt wurde.
Zur Treppe wurde sie geschleift.
»Mein Zeichen!« sagte die Nonne mit häßlich klingender Stimme.
»Mein Sigill wird auch dich zeichnen, das verspreche ich dir. Wer dich findet, der weiß Bescheid.«
Woher der Strick stammte, wußte Jennifer nicht. Sie sah ihn auch nur für einen Augenblick, als er vor ihren Augen nach unten glitt.
Dann schabte er über ihren Hals.
Als letztes hörte Jennifer McFarlaine noch das schreckliche Lachen der Nonne, dann ereilten sie die Schatten des Todes…
***
Es war keine Schwierigkeit gewesen, herauszufinden, wo der ermordete Jack McFarlaine gewohnt hatte. Wie es sich für einen Förster, Wildhüter und Umweltschützer gehörte, lag das Haus außerhalb des Ortes und mitten in der Natur, ungefähr an der Nahtstelle zwischen Wald und Moor.
Feucht war der Boden hier noch nicht, deshalb kamen wir auch glatt und sicher voran und konnten den Leih-Rover vor dem Haus bequem ausrollen lassen.
Wir stiegen aus und schauten uns beide an, weil uns etwas aufgefallen war.
Father Ignatius sprach es aus. »Du kannst mich für verrückt halten, aber die Stille gefällt mir nicht.«
»Mir ebenfalls nicht.«
Wir sahen uns um. Über der Tür brannte noch die Lampe.
Weshalb hatte man sie nicht ausgeschaltet? Im Dorf hatten wir erfahren, daß die Schwester des Toten allein im Haus wohnte, aber weshalb hatte sie die Lampe brennen lassen?
»John, ich befürchte Ärger.«
»Das ist wohl noch untertrieben.« Bei meinem Rundblick war mir die ziemlich große Hundehütte aufgefallen. Ich konnte in sie hineinschauen und glaubte, den Hund darin zu sehen.
Wenn Fremde kommen, meldet sich ein Wachhund immer. Der hier hatte es nicht getan.
»Moment mal«, sagte ich zu meinem Freund und ging geradewegs auf die Hütte zu.
Jetzt hätte mich der vierbeinige Aufpasser eigentlich bemerken müssen, doch er reagierte noch immer nicht.
Vor der Hütte bückte ich mich, sah nicht nur den Körper, sondern auch die Blutlache, die träge darunter lag und bis zum Ausgang der Hütte reichte.
Der Hund war getötet worden!
»Was ist denn los, John?«
Gebückt noch drehte ich mich um. »Der Hund ist tot!«
»Was?« Father Ignatius kam schnell näher, sah das Blut und schüttelte den Kopf. »Aber wer tut denn so etwas?« fragte er flüsternd. »Auch die verdammte Nonne?«
»Wer sonst?«
Er schwieg, atmete scharf durch die Nase und ballte die Hände.
Dabei blickte er zum Haus. »Nein, ich kenne keinen anderen, der so etwas tun würde. Wenigstens
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