0444 - Die Nonne mit der Teufelsklaue
lächelte. »So ungefähr. Auch die Ratten haben überlebt. Wie immer es gewesen sein mag. Wir haben es hier mit einer teuflischen Magie zu tun, und das gefällt mir gar nicht.«
Father Ignatius sah auf seine Uhr. »Die Nonne ist, wenn wir den Zeugen glauben dürfen, stets in der Dunkelheit erschienen. Am späten Abend oder in der Nacht. Wahrscheinlich müßten wir so lange noch warten, falls wir nicht meiner Theorie nachgehen wollen.«
»Du meinst Karen Cullogh?«
»Ja.«
Ich dachte nach. »Gesetzt den Fall, deine Theorie stimmt, so frage ich mich doch, wie kommt eine Person wie Karen Cullogh an diese Nonne heran, die ja nur als Geist auftritt? Hast du dazu eine Erklärung?«
»Vielleicht.«
»Dann raus damit.«
»Wie oft haben wir gehört und gelesen, daß Lebende von Toten geleitet oder geführt werden? Sogenannte Geistführer. Es gibt Menschen, die komponieren wie Beethoven oder Mozart. Manche schreiben auch im Goethestil. Weshalb sollte es bei Karen anders sein? Möglicherweise hat der Geist dieser Nonne den des Mädchens verdrängt. Sie hört durch Karen, sie sieht durch Karen, möglicherweise versteckt sie sich sogar in ihr. Und wer hat uns in der Gruft einschließen wollen, John? Kann das nicht auch Karen gewesen sein? Wenn du ehrlich bist, kannst du diese Möglichkeit nicht ausschließen.«
»Das stimmt.«
»Dann wäre es angebracht, sie zu besuchen.«
»Ich habe nichts dagegen. Fahren wir wieder in unsere Pension. Wenn du recht hast, Ignatius, dann muß Bethsame einen verdammt großen Einfluß auf das Mädchen ausgeübt haben, denn Karen hat ja bereits, wie du sagst, die Gesichtszüge der unheimlichen Mörderin angenommen.«
»Bei dieser Aussage bleibe ich auch.«
»Alles klar.«
Als wir in die Diele zurückkehrten, sahen wir wieder die Leiche.
Wir konnten sie nicht liegenlassen und mußten für ihren Abtransport sorgen.
Es gab im Dorf einen Konstabler, aber der war für zwei Dörfer zuständig. Als ich die Nummer des Mannes wählte, hob eine Frau ab, die mir erklärte, daß ihr Mann über Nacht wegbleiben würde, weil man einen entflohenen Sträfling suchte.
»Da ist nichts zu machen«, sagte ich und legte den Hörer auf. »Bevor wir hier die Pferde scheu machen, würde ich sagen, daß wir die folgende Nacht abwarten. Wenn deine Theorie stimmt, wird die Nonne bestimmt schon erfahren haben, daß wir ihr auf der Spur sind.«
»Das kann ich mir auch vorstellen.«
Vor dem Haus spürten wir die Schwüle sehr deutlich. Zudem stank der Sumpf. Die Sonne war hinter langen Wolkenschatten verschwunden, die träge wie Blei lagen und sich kaum bewegten.
Ich war sicher, daß am Abend ein Gewitter aufziehen würde.
Ich hämmerte den Wagenschlag zu und startete. Father Ignatius sprach das aus, woran auch ich dachte. »Hoffentlich war der Mord an Mrs. McFarlaine der letzte dieser teuflischen Bestie.«
»Wir tun alles, was in unserer Macht steht.«
»Und wenn es nun tatsächlich das Mädchen ist?« spann der Mönch den Faden weiter. »Kannst du vor ihr stehen und sie vernichten?«
Ich preßte die Lippen zusammen. »Frag mich so etwas besser nicht«, erwiderte ich leise…
***
Helen Cullogh saß vor dem Haus auf einer Bank und strickte. Sie ließ die Nadel sinken, als sie unseren Wagen auf den Platz fahren sah, und lächelte uns an.
»So früh schon zurück?«
»Ja«, sagte ich.
»Das Dorf war Ihnen sicherlich zu langweilig.«
Ich wiegte den Kopf. »Das kann man nicht sagen, aber die Schwüle hat uns zugesetzt.«
Sie nickte heftig. »Da haben Sie recht. Manchmal kommt es hier knüppeldick. Wir liegen leider in einem Tal, die Berge halten einen Großteil des Windes ab. Hinzu kommt der Sumpf. Manchmal macht es keinen Spaß, hier zu leben. Wenn Sie etwas trinken wollen, finden Sie im Keller alles, vom Mineralwasser bis zum Bier.«
»Vielleicht später, danke. Wo ist eigentlich Ihre Tochter?«
Helen Cullogh winkte ab. »Die ist vor gut einer Stunde wieder zurückgekehrt.«
»War sie auch im Ort?« fragte Father Ignatius.
»Ja, mit dem Rad. Sie wollte wohl etwas kaufen. Sie wissen ja, wie junge Mädchen sind. Und wenn ich ehrlich sein soll, haben andere in Karens Alter mehr Freiheiten. Wir haben nun mal diese Pension und können uns kein Personal leisten.«
»Das ist verständlich.«
»Auch jetzt muß sie wieder mitarbeiten«, erklärte Helen Cullogh.
»Bettwäsche muß aufgebügelt werden. Bei dieser Hitze arbeitet sie immer im Keller. Da ist es wenigstens kühl.«
Das war die Gelegenheit,
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