0447 - Der letzte auf dem Todesstuhl
war zu ausgesucht, zu perfekt, zu gepflegt.
Als er lächelte, zeigte er blitzweiße Zähne unter dem schmalen Schnurrbart, der seine Oberlippe zierte.
»Es tut mir sehr leid, Ralph«, sagte die Chefin des Modesalons, »aber wir müssen das Aussuchen auf einen anderen Tag verschieben. Ich habe mit den Gentlemen zu sprechen, und danach würde ich sicher nicht mehr in der richtigen Stimmung sein.«
Auf dem Schreibtisch stand ein flacher Ausziehkoffer, dessen Fächer mit Krawatten gefüllt waren. Jessica wies mit einer Bewegung auf den geschniegelten jungen Mann. »Ralph Sparring versorgt mich seit der Eröffnung meines Geschäftes mit Krawatten und anderen Artikeln für den Gentlemen!«
»Sind Sie nicht ein Modesalon für Ladys?«
Sie lachte nervös. »Natürlich, aber manche Lady hat von Zeit zu Zeit das Bedürfnis, dem Gatten eine Krawatte oder sonstige Kleinigkeiten mitzubringen. Ganz besonders, wenn sie bei mir für sich ein teueres Kleid gekauft hat, bringt sie ihm gern eine Krawatte mit, mit dem sie seinen Protest gegen die Rechnung mildern kann.«
Ich ging näher an Ralph Sparring heran. Er roch nach einem femininen Eau de Cologne.
»Wunderbare Krawatten«, konstatierte ich und ließ eine davon durch die Finger gleiten. Er lächelte stolz.
»Ich importiere nur auserlesene Stücke und immer nur Einzelmodelle. Keine dieser Krawatten werden Sie im gleichen Muster und den gleichen Farben noch einmal in den Staaten finden. Das rechtfertigt den Preis von rund vierzig Dollar pro Stück.«
Er schien entschlossen, mir die Vorteile seiner bunten Halsbanderolen bis in die letzte Faser zu erklären. Ich stoppte ihn mit der Bemerkung: »Vierzig Dollar! Ich zahle für meine Schlipse achtzig Cent bei Macy’s.«
Er verbeugte sich leicht. »Man sieht es!« Er schob seinen Koffer zusammen.
»Wann soll ich mich wieder sehen lassen, Jessy?«
»Rufen Sie mich in zwei oder drei Tagen an, Ralph!« Er küßte ihr die Hand wie ein französischer Graf. Phil und mir nickte er notdürftig zu.
Jessica Webmann bediente sich aus einer Zigarettendose, die auf dem Schreibtisch stand.
»Seit wann vermissen Sie Ihren Wagen, Miß Webman?«
»Seit heute morgen. Ich blickte aus dem Fenster und sah, daß er nicht mehr auf dem gewohnten Platz stand.«
»Wo befindet sich der gewohnte Platz?«
»Hier vor dem Geschäft. Man bekommt doch keine Garage! Ich wohne in der ersten Etage dieses Hauses. Ich stelle meinen Wagen immer möglichst genau vor dem Eingang des Geschäftes ab. Er steht dann unter einer Bogenlampe. Ich dachte, eine gute Beleuchtung würde einen Diebstahl erschweren. Aber ich irrte mich.«
»Haben Sie nicht Schwierigkeiten, immer die richtige Lücke zu ergattern?« fragte Phil freundlich. »Wir konnten unseren Wagen nicht vor diesem Block parken. Am Fahrbahnrand stehen die Autos Stoßstange an Stoßstange.«
»Am Tage ist das so, aber nach Geschäftsschluß finden sie leicht einen Parkplatz.«
»In Ordnung, Miß Webman. Wann haben Sie also Ihren Wagen abgestellt?« Siedachte kurz nach. »Es muß um zehn Uhr gewesen sein. Ich bin zum Essen gefahren. Ich hatte Kopfschmerzen und fühlte mich nicht gut. Ich nahm eine Tablette und schlief fest.« Sie lächelte. »Der Autodieb scheint das geahnt zu haben.«
»Wo aßen Sie?«
Sie drückte die Zigarette aus. »Bei ›Triton‹. Das ist ein Restaurant im Astoria-Park.«
»Ein normales Speiserestaurant?«
»Natürlich nicht! Es ist ein Feinschmeckerlokal. Sie servieren französische Gerichte mit viel Chic. Man besucht es als Startplatz für einen Nachtbummel.«
»Sagten Sie nicht, Sie hätten um zehn Uhr im Bett…«
»Ja! Der Abend platzte, weil ich Kopfschmerzen bekam und mich miserabel fühlte.«
»Ich nehme an, daß Sie nicht allein…«
Sie stieß einen Seufzer aus. »Verzeihen Sie, Mr. G-man, aber Sie fragen sehr viel. Glauben Sie wirklich, ich startete ohne Begleitung in eine Amüsiernacht? Ralph Sparring begleitete mich.«
»Ihr Krawattenlieferant?«
»Warum nicht? Ralph sieht gut aus. Er ist viel gereist, spricht französisch und spanisch. Seine Manieren sind ausgezeichnet. Er plaudert amüsant, und er macht mir auf eine Art den Hof, die nie aufdringlich ist.«
»Sie sind also mit ihm befreundet?«
»Kommt darauf an, was Sie unter Freundschaft verstehen, G-man.«
Ich lächelte. »Das FBI interessiert sich nicht für Ihre Gefühle, Miß Webman. Trafen Sie Ralph Sparring vor dem Restaurant?«
»Ich holte ihn von seiner Wohnung ab, Westmore Street 64 in Little
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