0448 - Salomos Omen
zusammengefunden, aber für uns ist der Palast wichtig.«
Ich habe es im Laufe der Zeit gelernt, Menschen richtig einzuschätzen.
Dieser Mann vor mir war kein Lügner. Er meinte es ehrlich, und deshalb fragte ich ihn, ob ich ihn und seine Verbündeten im Kampf gegen die Diener Baals unterstützen dürfte.
Nachdenklich schaute er mich an. »Du bist ein guter Mensch, auch wenn du fremd bist. Du strahlst etwas aus, das ich sogar von unserem König kenne. Ich weiß nicht, was es ist, aber diese Strahlung lässt mich hoffen. Wir nehmen deine Hilfe an, Fremder vom anderen Ufer des großen Wassers.«
»Es freut mich, und ich sehe es als eine Ehre an. Nur möchte ich gern deinen Namen erfahren. Dass du ein Bote bist, weiß ich, aber sicherlich kein Namenloser.«
»Nein, ich heiße Jonas.«
»Es klingt fast wie meiner.«
»Wir müssen uns beeilen«, sagte er, wobei er einen Blick auf die Sonne warf. »Vor der Dunkelheit möchte ich noch in der Stadt sein, denn dann kommt ihre Stunde.«
»Du meinst die der Baal-Diener?«
»So ist es.«
Ich hatte bisher vor ihm gestanden und schritt nun an die linke Seite des Esels.
»Schafft er es, auch mich noch zu tragen?«
»Du kannst aufsteigen.«
Das tat ich. Vor mir sah ich den gekrümmten Rücken des Mannes. Das Gewand war aus einem sandfarbenen Stoff geschneidert, der mich an Leinen erinnerte. An der Schulter hielt ich mich fest, denn der Esel setzte sich schaukelnd in Bewegung. Mit einer schmalen Gurte hatte ihn Jonas gegen die Planke geschlagen.
Besser schlecht geritten, als gut gelaufen. Dieses Sprichwort bewahrheitet sich auch in diesem Fall. In der Hitze tat das Gehen überhaupt nicht gut. Zwar brannte die Sonne auch auf meinen Körper, aber ich selbst strengte mich nicht mehr an.
Die Hufe des Tieres wirbelten den Staub in die Höhe.
Es war kaum zu fassen. Da ritt ich durch eine Zeit, die mehr als Jahre zurücklag, und wurde mit den gleichen Dämonen konfrontiert, wie ich sie aus der Gegenwart her kannte.
Baal!
Hier im Orient besaß er seinen Ursprung. Die Abtrünnigen des Stammvaters Abraham hatten ihn schon als Götzen verehrt und waren um das goldene Kalb herumgetanzt, als das Baal auch bezeichnet worden war.
Baal und Salomo. Sie waren wie Feuer und Wasser. Eigentlich hätte ich es wissen müssen, dass beide aufeinander trafen, doch hätte ich nie gedacht, dass man mich in diese Konfrontation mit hineinziehen würde.
Wie hatte sich doch alles verändert.
Ich spürte auch Müdigkeit und hatte mich inzwischen an den Laufrhythmus des Esels gewöhnt. Fast wie von selbst fielen mir die Augen zu. Ich kippte noch gegen den Rücken meines Vordermannes, dem dies nichts ausmachte, denn er ließ mich in dieser Haltung.
Traumlos glitt ich in einen tiefen Schlaf hinein. Wie lange er gedauert hatte, ließ sich nicht feststellen. Jedenfalls schreckte ich hoch, als der Esel plötzlich stand.
»Was… was ist denn?« Ich hob ruckartig den Kopf und wischte durch meine Augen.
»Gefahr!«
»Wo?« Es war eine dumme Frage und nur mit der Tatsache zu entschuldigen, dass man mich soeben aus dem Tiefschlaf gerissen hatte.
Jonas glitt vom Eselrücken, und auch ich stellte mich neben das Tier.
Die Umgebung hatte sich kaum verändert. Allerdings war die Sonne tiefer gesunken. Die kargen Wüstengewächse warfen erste Schatten, wie auch die Häuser der Stadt, während der darüber gelegene Palast noch im hellen Sonnenlicht lag.
An der linken Seite zog sich ein Hang in die Höhe. In der Nähe musste es Wasser geben, denn der Hang war bewachsen. Kleine, palmenartige Gewächse schimmerten in einem satten Dunkelgrün.
»Wen erwartest du denn?«
Jonas hob die Schultern. »Baals Augen sind überall. Er ist sehr mächtig, denn er hat Salomos Sigill entweihen können. Hier herrscht Magie.«
»Meinst du das Hexagramm, das Großsiegel Salomons?« hakte ich nach.
»So ist es.«
»Wie haben sie es entweiht?«
»Ich weiß es leider nicht«, flüsterte Jonas. »Man spricht davon und auch nur hinter vorgehaltenen Händen.«
»Dann hat der Götze Baal wohl eine sehr große Macht.«
»Sie ist seit Abraham nicht kleiner geworden«, bekam ich zur Antwort.
Ich dachte schon praktischer und schaute nach links, wo mir der Hang seine bewachsene Seite zeigte. Dort stand das Gebüsch tatsächlich so dicht, dass sich leicht jemand dahinter verbergen konnte.
»Ich werde dort nachschauen«, erklärte ich meinem Begleiter, doch der hatte Einwände.
»Nein, das las lieber. Du wirst gegen sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher