0448 - Salomos Omen
verboten«, erklärte Jonas. »So sehr ich den König verehre, es sind lose Sitten eingekehrt. Moses' Strenge ist vorbei.«
»Dafür kann sich dein Volk aber entwickeln und seine Talente entfalten. Liebe ist besser als Krieg.«
»Das sagt der Weise auch immer. Du könntest ein Sohn von ihm sein, Freund John.«
»Vielleicht bin ich das.«
Jonas ging auf diese Bemerkung nicht ein, was ich ihm auch nicht verübeln konnte.
Wir waren in eine schattige Gasse hineingeritten, die kaum breiter als zwei Armlängen war.
Die Hauswände speicherten noch die Hitze des Tages. Aus den Fenstern drangen die unterschiedlichsten Gerüche und Düfte. Manchmal roch es nach Duftwässerchen, dann nach Öl oder nach Rosen. Ich hörte lautes Frauenlachen oder die dunkleren Stimmen der Männer.
»Das ist die Straße der Badehäuser«, erklärte mir mein neuer Freund.
»Hier vergnügt man sich und gibt sich ganz den Freuden der Sinne hin. Auch der König tut dies.«
»Mit der Königin von Saba?« fragte ich.
»Du kennst sie?«
»Ich habe von ihr gehört!«
»Keiner von uns hat sie je gesehen, man spricht aber davon, dass sie unseren König, unbedingt besuchen will. Sie ist eine geheimnisvolle Frau, die auch schon im großen Land der Pharaonen gewesen sein soll. Der König will vieles kennenlernen, deshalb hat er oft die Weisen und Magier bei sich zu Gast, die auch von Kulturen und Völkern berichten können, die es längst nicht mehr gibt.«
»Wen meinst du damit?«
»Man spricht von einem Volk, das vom Meer verschlungen wurde.«
»Atlantis«, sagte ich.
»So heißt es?«
»Ja.«
»Du weißt sehr viel, John.«
Über das Pflaster waren wir mit den klappernden Hufen geritten und hielten am Ende der Gasse, wo wieder eine Treppe vor einem sehr schmalen Haus begann.
»Hier wohne ich«, erklärte Jonas.
»Ohne Frau und Kinder?«
»Meine Frau starb. Die Kinder haben die Stadt verlassen und sind in die Weite des Landes gegangen. Ich hoffe, dass ich sie vor meinem Tod noch einmal treffe.«
»Das wünsche ich dir auch.«
Wir stiegen ab. Der Esel brauchte nicht draußen stehenzubleiben. Er wurde in das Haus und in einen kühleren Stall geführt, wo er sein Futter und auch frisches Wasser bekam, das aus einer Quelle in ein viereckiges Steinbecken sprudelte.
Ich half Jonas dabei, Krüge mit Wasser zu füllen, und dann gingen wir in einen kleinen Nebenraum, wo wir uns reinigen konnten. Ich stellte mich so zu Jonas hin, dass er mein Kreuz nicht entdeckte. Das sollte eine Überraschung werden.
Das Wasser erfrischte. Man konnte es auch trinken. Es schmeckte wunderbar klar und rein.
»Ich kann dir etwas zu essen bereiten«, sagte Jonas. Er griff nach einer Öllampe, die schon bei unserem Eintritt geleuchtet und den Raum notdürftig erhellt hatte.
»Nein, ich bedanke mich. Aber ich habe keinen Hunger.«
»Durst?«
»Den ja.«
»Dann komm bitte mit.«
Wir gingen in einen nebenan liegenden Raum. Dort konnten wir auf einer Bank Platz nehmen. Gegenüber stand eine schmale Liege. Ein sehr einfaches Lager.
Jonas goss Wasser in Tonkrüge und legte Rosenblätter hinein. Sie dufteten wunderbar, auch das klare Wasser schmeckte nach ihnen, und ich fühlte mich nach den ersten Schlucken schon erfrischt. Das Wasser hatte den Staub aus der Kehle gespült.
Über das Gesicht meines neuen Freundes tanzten die Schatten immer dann, wenn sich das Licht bewegte. Im Verhältnis zu draußen war es hier zwischen den Wänden kühl. Wenn wir sprachen, bekamen unsere Stimmen einen völlig anderen Klang.
Innerhalb dieses Raumes herrschte eben eine besondere Akustik. »Wie fühlst du dich jetzt, John?«
Ich nickte Jonas zu. »Sehr gut, möchte ich sagen.«
»Ja, das glaube ich dir. Du mußt dich auch gut fühlen.« Seine Stimme wurde leiser und ernster. Dein Vorhaben ist nämlich lebensgefährlich. »Du wirst Baals Diener stellen müssen, und das kannst du nur in den Katakomben.«
»Wie sieht es mit ihm selbst aus?«
Jonas erschrak. Auch seine Hand hatte sich mitbewegt. Da er darin eine mit Wasser gefüllte Tonschale gehalten hatte, schwappte ein Teil der Flüssigkeit über. »Baal?« Er holte tief Luft. »Du willst dich mit dem Götzen messen?«
»Weshalb nicht?«
»Das ist unmöglich. Nein, das kannst du nicht schaffen. Du kennst ihn nicht. Baal ist eine Macht!« Jonas streckte seinen freien Arm vor und zeigte mir seine gespreizte Hand, »Baal ist groß und mächtig. Er hat das Zeichen Salomos benutzt. Denk mal daran. Er hat das Großsiegel Salomos
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