0449 - Der Tod im Mädchen-Pensionat
Däumchen drehen, also ging ich noch einmal hinüber zur Turnhalle.
Aber diesmal ging ich außen herum. Und da sah ich die beiden stählernen Feuerleitern, die an beiden Enden der Rückfront senkrecht am Gebäude emporführten. Da ich keine Taschenlampe bei mir hatte und die hintere Seite der Turnhalle nicht beleuchtet war, konnte ich nicht erkennen, auf welche Weise man von der Galerie auf die Feuerleitern hätte kommen können.
Ich ging hinein in den Seitentrakt und die Treppe hinauf. Vier Detektive suchten die Galerie Zoll für Zoll ab. Ich betrachtete die Fensterreihe. Das Rätsel war kein Rätsel mehr. Die Fensterreihe endete an der Stelle, wo ich draußen die Feuerleiter vermutete, in einem breiten und etwa anderthalb Yard hohen Abschlußfenster, das ebenfalls in der Mitte gekippt werden konnte.
Es stand ungefähr im Winkel von fünfundvierzig Grad offen. Ich kniete mich auf den Boden und sah mich genau um. Die untere Hälfte des Fensters war nach außen gekippt. Genau unter dem Fenster begann die Feuerleiter. Selbst ein ziemlich unbeholfener Mensch hätte hier rückwärts hinausklettern können, denn die Seitenholme der Leiter reichten bis an die Unterkante des Fensters, und die oberste Sprosse lag keinen halben Yard darunter.
Ich stand auf und klopfte mir den Staub von meinen Knien. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich einen älteren Detektiv von Ambers’ Leuten, der mich aufmerksam beobachtete. Jetzt kam er heran und zeigte auf den hochragenden Hebel, mit dem die Kippmechanik des Fensters betätigt wurde.
»Ich weiß nicht, ob es von Bedeutung ist, Sir, aber ich möchte es Ihnen lieber vorsichtshalber sagen: Der Hebel ist nach Fingerspuren abgesucht worden, und anschließend habe ich damit das Fenster auf gemacht. Ich habe gern frische Luft.«
Ich starrte ihn entgeistert an.
»Soll das heißen, daß dieses Fenster geschlossen war?«
»Ja, Sir. Das weiß ich genau. Ich habe es selber aufgemacht, also muß es vorher zu gewesen sein.«
Ich lief zum anderen Ende der Galerie. Die Feuerleiter mündete dort nicht anders. Ich sprach mit sämtlichen Detektiven, die sich hier oben aufhielten. Es war wie verhext: Die einzigen beiden Fenster, durch die der Mörder hätte hinauskommen können, waren von innen geschlossen gewesen.
Meine großartige Idee war keinen verrosteten Nickel wert.
Es blieb nur noch die Tür. Die hatten wir zwar abgeschlossen vorgefunden, aber der Mörder hätte einen Schlüssel haben können. Oder sogar nur einen krummgebogenen Draht wie Phil.
Das musste man noch untersuchen. Jedenfalls konnte der Mörder nicht anders als durch die Tür und über die Treppe wieder von der Galerie heruntergekommen sein.
Ich steckte mir mißmutig eine Zigarette an und stapfte die Stufen hinab. Unten sah ich Lieutenant Ambers zwischen den beiden weit geöffneten Flügeltüren stehen, die hinaus in den als Garderobe dienenden Vorraum führten. Ich ging zu ihm.
»Hören Sie, Lieutenant«, brummte ich. »Irgendwas stimmt hier nicht. Irgendwas stinkt zum Himmel. Sehr kräftig sogar.«
»Und zwar?«, fragte Ambers, seine mächtigen Fäuste dorthin gestemmt, wo bei weniger beleibten Leuten die Taille zu sein pflegt.
»Die Turnhalle steht isoliert von allen anderen Gebäuden. Der Mörder muß also irgendwann von irgendwoher in die Halle gekommen sein«, sagte ich.
»Das ist logisch.«
»Und er muß mit einem Gewehr gekommen sein.«
»Das könnte er zum Beispiel auch schon einen Tag vorher auf der Galerie versteckt haben.«
»Aber die Musgrave sagt, daß ihr Gewehr heute abend noch in ihrem Schrank war. Wenn das stimmt — wie ist der Mörder dann mit dem Gewehr herein- — und ohne Gewehr wieder hinausgekommen? Auf der Galerie hat man die Geschoßhülse gefunden. Man darf also davon ausgehen, daß er tatsächlich von der Galerie aus den tödlichen Schuß abgefeuert hat.«
»Das ist doch ganz einfach, Cotton! Haben Sie denn die beiden Feuerleitern an der Rückfront des Gebäudes noch nicht gesehen? Die Feuerleitern, die nur für die Galerie bestimmt sind?«
»Ich habe sie gesehen.'Und?«
»Der Mörder kletterte eine Feuerleiter hinauf, mit dem Gewehr natürlich, stieg durch das offenstehende Kippfenster hinein, schoß, ließ das Gewehr liegen und kletterte die Feuerleiter wieder hinab. Also der Weg des Mörders ist absdlut klar.«
»Und was ist mit der Treppe?« Ambers winkte ab.
»Die scheidet aus. Wir haben die Aussagen von rund einem Dutzend Leuten, die zu sich überschneidenden Zeiträumen in der
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