045 - Mörder der Lüfte
sie gerichtet waren, zu fürchten, als vor dem weißen Adler zu zittern.
Das ging auch aus den Worten des Anführers hervor, als er sagte: »Lass uns gehen, Gringo, damit wir in unseren Häusern vor dem weißen Adler Schutz suchen können.«
»Haut ab!«
Dorian sah ihnen nach, wie sie, als sei der Leibhaftige hinter ihnen her, den Maultierpfad zu ihrer Siedlung hinunterrannten.
»Holen Sie sich auch ein Gewehr, Esperno«, trug Dorian dem Piloten auf. »Vielleicht haben wir Glück, und der weiße Adler lässt sich tatsächlich blicken.«
»Da ist er!«, rief Cortez und deutete zu den verfallenden Gebäuden der Grubenstadt.
Dorian erblickte den weißen Schatten, der majestätisch zwischen den Gebäuden dahinglitt, und rannte ohne zu zögern los.
Er achtete dabei nicht auf den Weg, sondern hatte nur Augen für den Adler. Als dieser Mörder der Lüfte plötzlich in eine Gasse zwischen den Gebäuden hinabstieß, ertönte gleich darauf ein langgezogener Schrei.
Dorian kniete hinter einem Felsen nieder und zielte. Wenn der Adler wieder auftauchte, würde er ihn erwischen.
Es dauerte auch nicht lange, bis der Raubvogel über dem Dach erschien. Sein Flug wirkte jetzt behäbiger, und Dorian erkannte auch, warum das so war: Er hielt eine blutige Last in den Fängen.
Sein Zeigefinger krümmte sich um den Abzug. Es war ganz einfach, viel zu einfach für seinen Geschmack. Er hätte nicht gedacht, dass es so leicht sein würde, den weißen Adler zu erlegen.
Er konnte ihn auf diese Distanz gar nicht verfehlen; er bot ein zu sicheres Ziel.
Dorian drückte ab.
Da traf etwas den Lauf seiner Winchester, stieß ihn zur Seite. Der Schuss ging los, traf einen Felsen, und das Projektil surrte als Querschläger davon.
Dorian sah den Schatten eines Mannes über sich, dessen Hände den Lauf festhielten. Er stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen und drückte Dorian zu Boden.
Über ihm war ein zerfurchtes, wettergegerbtes Gesicht. Es war von den Anstrengungen, die es kostete, mit Dorian um die Schusswaffe zu ringen, gezeichnet.
Plötzlich entspannte sich der Mann jedoch.
Cortez war neben ihm aufgetaucht und drückte ihm den Lauf eines Colts an die Schläfe.
Der Mann ließ Dorians Winchester los.
Er war nicht davon beeindruckt, dass Cortez ihm die Waffe an die Schläfe setzte. Er beachtete ihn nicht einmal, sondern blickte auf Dorian hinunter.
»Es soll gut sein, Señor«, sagte er keuchend. »Ich habe erreicht, was ich wollte. Damit bin ich zufrieden. Nur noch eines. Lassen Sie sich nicht noch einmal einfallen, auf den weißen Adler zu schießen. Denn das würde ich Ihnen nie verzeihen.«
Der Mann wollte sich abwenden, als sei der auf ihn gerichtete Colt überhaupt keine Bedrohung. Dorians Hand schnellte vor und packte ihn an der Schulter.
»Sind Sie etwa Enrique Castillo, dass Sie sich als Schutzpatron des weißen Adlers aufspielen?«, fragte er.
In dem wettergegerbten und verhärmt wirkenden Gesicht des anderen zuckte es.
»Ich heiße Jimenez Ortuga«, sagte er nur und ging in Richtung Real de Contrabandista davon.
»Auf ein Wort, Señor Ortuga«, rief Dorian ihm nach. »Wenn wir uns nicht wieder in die Quere kommen sollen, dann kann in Sachen weißer Adler noch nicht das letzte Wort gesprochen sein.«
Der Mann interessierte den Dämonenkiller.
Jimenez Ortuga drehte sich noch einmal kurz um. Er zeigte Dorian ein Gesicht, das kein Lächeln zu kennen schien.
»Mañana«, sagte er nur und ging endgültig.
Mañana, im Wörterbuch mit ›morgen‹ übersetzt, für die Mexikaner ein sehr dehnbarer Begriff, bedeutete ›irgendwann in der Zukunft‹, und es war damit im günstigsten Fall der nächste Tag gemeint. Aber damit wollte sich Dorian nicht zufrieden geben. Er konnte seine Probleme nicht, der mexikanischen Mentalität angepasst, auf die lange Bank schieben.
Deshalb folgte er Jimenez Ortuga zur Grubenstadt hinunter, während er Cortez zum Flugzeug zurückschickte, damit er alle ihre beweglichen Güter entweder im Flugzeug einschloss oder in einen Rucksack packte und mitnahm.
In nüchternem Zustand war Rodrigo gar kein so übler Bursche. Aber nun hatte er ordentlich geladen, und da brach alles aus ihm hervor, was sich an den nüchternen Tagen in ihm angestaut hatte.
Es war kurz vor Mitternacht, als er nach Hause zu seiner Irasema torkelte. Im Stillen schimpfte er über den Gringo, diesen Dorian Hunter, weil er sich nicht ausreichend mit Tequila und Rum eingedeckt hatte, als er hierher nach Contrabandista
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