0450 - Die Gierigen von Brooklyn
Anblick dieser Übermacht ließ der Kleine sein Messer sinken.
»Stecken Sie es ganz weg«, schlug ich vor, »damit wir endlich vernünftig reden können.« Damit jede Zweifel behoben wurden, reichte ich ihm meinen Ausweis. Er nahm ihn mit der linken Hand entgegen und studierte ihn eingehend. Gewissenhaft verglich er das Lichtbild mit dem Original, ehe er es zurückgab.
»Ich bin Pedro Sarrate, der Hausverwalter«, sagte er schließlich. »Darf ich jetzt endlich wissen, was Sie hier suchen?«
»Eine junge Dame namens Kim Purvis. Sie ist die Tochter Ihres Chefs!«
»Ich weiß, G-man. Ich meine, daß sie die Tochter meines Chefs ist. Aber sie ist nicht hier. Ich weiß nicht, wie Sie auf diese Idee kommen. Schon heute abend hat mich so ein Verrückter angerufen und nach ihr gefragt.«
»Der Verrückte war ich«, meinte ich, aber er zeigte kein Bedauern nach dieser Enthüllung. »Mr. Sarrate, wo waren Sie in der Zeit zwischen meinem Anruf und jetzt?«
»Was geht Sie das an?«
»Sehr viel. Ich bin nämlich der Überzeugung, daß Kim Purvis sich hier aufhielt — unfreiwillig!«
Er zuckte leicht die Schultern. »Haben Sie sie gesehen?«
»Das nicht«, mußte ich zugeben, »aber ich habe ihre Stimme gehört.«
»Stimmen ähneln sich oft. Vielleicht eins unserer Mädchen.«
»Nein. Versuchen Sie nicht, mich an der Nase herumzuführen. Das Personal hat heute frei bekommen. Es sollte wohl nicht sehen, was im Haus vorging, stimmt es?«
Wieder zuckten die Schultern hoch. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden!«
»Auch recht! Dann kommen Sie mit!«
»Bin ich verhaftet?«
»Keineswegs, mein Lieber. Aber wir müssen im Polizeirevier ein Protokoll auf nehmen.«
»Und wenn ich nun nicht mitkomme?«
»Sie vergessen das Messer in Ihrer Hand. Geben Sie es doch gleich mal her, bevor es Ihnen lästig wird!«
Ich stand auf dem Sprung, falls er rabiat werden sollte, aber er legte die Klinge ganz gemächlich in meine Hand. Er schien die ganze Angelegenheit als eine mehr oder weniger unvermeidliche Belästigung aufzufassen. Das schien mir auf eine eingehende Erfahrung mit der Polizei hinzudeuten.
»Sie sind vorbestraft?« fragte ich, und ich war ziemlich sicher, daß diese Frage mehr rhetorischen Charakter hatte.
»Ein Caballero kann nicht immer wie ein Puritaner handeln«, sagte’er überheblich. »Sie sind ein waschechter Yankee und werden dafür kein Verständnis haben. Wollen wir nicht gehen? Ich bin müde und will meine Zeit nicht allzu sehr in Anspruch genommen wissen.«
»Kommen Sie doch mal hier unter das Licht!« forderte ich ihn auf. Ich stellte ihn mir mit einem Schritt Abstand unter die Deckenleuchte. In seinem Gesicht begann es zu zucken. Seine dünnen Lippen bogen sich nach unten. In seinen Augen flackerte es auf.
»Wollen Sie mich schlagen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das täte vielleicht ein Caballero von Ihrer Sorte, aber kein Yankee, schon gar nicht ein G-man! Ich will nur Ihr Gesicht sehen, Mann!«
Es gab schwarze Bartstoppeln und enge Falten darin, besonders um Augen und Mund. Aber keine Quetschung oder einen Riß, wie er hätte vorhanden sein müssen, wenn ihn der Tonklumpen getroffen hätte, den ich dem Angreifer von vorhin verpaßt hatte. Aufmerksam und ängstlich beobachtete er meine Augen. Er war sich immer noch nicht sicher, ob ihn nicht plötzlich ein Knie oder eine Faust treffen würde.
»Es ist gut«, sagte ich und trat zurück. »Wir gehen jetzt. Es ist Ihnen hoffentlich klar, daß wir bei einem Fluchtversuch von der Waffe Gebrauch machen werden!«
»Das ist mir klar, G-man! Den Gefallen werde ich euch aber nicht tun!«
Ich winkte den beiden Polizisten, Nick Coslin herauszuführen. Der Musiker zeigte keine andere Reaktion als Neugier, als er den Hausverwalter ansah. Dagegen zeigte Sarrate Interesse für die Handschellen, mit denen Coslin geschmückt war. Aber er schien ihn nicht zu kennen. Ich habe oft Gelegenheit gehabt, derartige Gegenüberstellungen zu erleben. Meine Erfahrung sagte mir, daß die beiden sich nicht kannten. Allerdings kann man sich auch da täuschen. Es gibt gute Schauspieler unter Leuten, die nie einen Hollywood-Vertrag unterschrieben haben.
Der Sturm peitschte uns in die Gesichter, als wir das Haus verließen. Der gepflegte Kiesweg und die täglich gemähte Rasenfläche waren jetzt übersät mit Scherben von Dachziegeln, vielen Zweigen und Blättern, die der gewaltige Sturm losgerissen hatte. Die Cops nahmen Sarrate in die Mitte, Phil hakte sich an dem Musiker
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