0450 - Sukos Totenfeier
der Hölle, bis sie urplötzlich verstummten, die Echos verrollten und sich eine lastende Stille ausbreitete, die auch auf den Zuschauerraum übergriff.
Wahrscheinlich begriffen die meisten der Anwesenden noch nicht, dass die erste Show vorbei war. Zudem standen sie unter diesem Einfluss des gewaltigen Finales, und die sechs Trommler standen wieder neben ihren Instrumenten, als wäre nichts geschehen.
Sie rührten sich nicht.
Ich konnte sie nur bewundern. Diese Männer waren tatsächlich austrainiert bis in den letzten Muskel. Andere wären vor Erschöpfung zusammengebrochen, auf ihren Körpern glänzte kaum Schweiß.
Und dann brach der Applaus los!
Es war ein Wahnsinn. Selbst die jungen Leute, die ja durch Rock- und Popkonzerte einiges gewohnt waren, sprangen von ihren Plätzen hoch und spendeten stehend Beifall.
Nur ich blieb ruhig.
Ondekoza kam aus dem Hintergrund vor bis an den Rand, wo er sich verbeugte. Dann gab er den Trommlern ein Zeichen. Sie lösten sich aus ihrer Erstarrung und traten an den Rand der Bühne, wo sie sich verbeugten und den gewaltigen, stürmischen Applaus entgegennahmen.
Ich sah ihre Gesichter immer dann, wenn sie sich aufrichteten. Kein Zeichen der Anstrengung las ich in ihnen. Überhaupt zeigten sie keinerlei Gefühle. Sie blieben starr. Weder Freude noch Trauer schienen sich je in ihnen abzeichnen zu können.
Der Applaus wollte nicht enden.
Immer wieder mussten die Trommler, nachdem sie wieder zurückgetreten waren, vorkommen und sich erneut verbeugen.
Nach dem sechsten Mal blieben sie im Hintergrund. Ondekoza kreuzte beide Arme vor seinem Gesicht und bewegte sie noch winkend. Dieses Zeichen wurde verstanden.
Der Applaus wurde immer dünner, nur mehr ein paar vereinzelte Klatscher waren zu hören, doch auch sie merkten bald, dass sie aufhören mussten.
Ondekoza wollte sprechen!
Er baute sich in der Bühnenmitte auf und reckte sich sogar, damit man ihn auch auf den letzten Plätzen genau erkennen konnte. Sein Blick flog über die Köpfe der, von ihm aus gesehen, tiefer sitzenden Zuschauer hinweg, als wollte er in eine Welt schauen, die allein für ihn sichtbar war.
Auf mich machte er den Eindruck, als wollte er noch eine Botschaft an die hier anwesenden vermitteln.
»Ich darf mich bei Ihnen sehr herzlich für diesen Applaus bedanken und möchte, bevor wir eine kurze Pause einlegen, die auch Sie zur Erholung nutzen können, noch etwas erklären. Was Sie hier zum Auftakt erlebt haben, war ein besonderer Tanz, ein außergewöhnliches Ritual, eine Totenfeier und gleichzeitig der Ruf an einen Menschen, von seinem normalen Leben ins Jenseits überzuwechseln. Derjenige, dem es gilt, wird die Trommelschläge gehört haben, und ich kann Ihnen versprechen, dass er, wo immer er sich auch befinden mag, jetzt tot sein wird. Verstehen Sie? Tot…«
Ob die Worte so richtig begriffen worden waren, konnte ich nicht sagen.
Ich jedenfalls hatte sie verstanden, und meine Gedanken beschäftigten sich mit Shao. War sie gemeint gewesen? Ich saß wie auf dem Sprung.
Dabei beobachtete ich die Bühne, wo sich nichts verändert hatte, ich aber trotzdem glaubte, dass dort etwas geschehen sein musste.
Niemand rührte sich. Die sechs Trommler standen hinter ihrem Obermacker und warteten zunächst einmal ab. Die Stille konnte man fast greifen. Und nur deshalb hörte ich den leisen Schrei voller Pein und Qual, der die Ruhe durchbrach und auf der Bühne aufgeklungen war.
Keiner der Trommler hatte ihn ausgestoßen. Von einer Frau war er abgegeben worden.
Auch Ondekoza hatte ihn vernommen. Er machte den Fehler, drehte sich um und schaute auf die mittlere Trommel. Zwar nur für einen Moment, aber diese Zeitspanne reichte mir.
Ich schnellte von meinem Sitz hoch, rannte an der Bühnenrampe vorbei auf die kleine Treppe zu und stürmte den Trommlern entgegen…
***
Es war die Hölle!
Nein, es war schlimmer. Die Hölle konnte man mit diesem Begriff beschreiben und erfassen, was Shao jedoch hinter sich hatte, das war unbeschreiblich.
Eine grausame Marter, eine Tortur, Psycho-Schock und trommelndes Grauen. Jeder Trommelschlag war wie ein Messerstich ins Nervenzentrum, ein Laserstrahl der Pein, mal stärker, mal schwächer, aber immer genau ins Ziel treffend.
Sie hatte sich auf dem Boden gewälzt, geschrien, sich die Ohren zugehalten, die Schläge dennoch gehört, hatte die Vibrationen miterleben müssen, das Hämmern, das ihre Seele zu zerreißen drohte und ihr die Augen aus den Höhlen trieb.
Weinen,
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