0450 - Sukos Totenfeier
schaffen, sosehr er sich auch anstrengte.
Die einzelnen Schläge waren nicht mehr zu unterscheiden. Ein Echo ging in das andere über, bis er plötzlich das Gefühl hatte, einfach wegzuschweben. Irgend etwas schien mit seinem Gleichgewichtssinn nicht mehr zu stimmen, und Suko, den sonst so leicht nichts erschüttern konnte, war plötzlich durcheinander.
Vielleicht war es auch die plötzliche Stille, die ihn umgab. Ja, das genau musste es sein. Eine Ruhe, die ihm nach der großen Trommelei ebenfalls wie eine Folter vorkam.
Er blieb knien, versuchte sich zu konzentrieren und hatte das Gefühl, als würde er wegfliegen.
Doch er blieb.
Auf dem Trommelboden hockte er und hielt den Kopf gesenkt, dabei hatte er die Augen weit geöffnet, und er schaute den Schweißtropfen nach, die von seiner Stirn fielen.
Suko atmete keuchend.
Er roch seinen Schweiß und stellte auch fest, dass die Atemzüge nicht mehr das brachten, was er sich von ihnen erhoffte. Die Luft war verbraucht.
Diese Folter hätte töten können. Suko war nicht gestorben, aber er war angeschlagen, und er wusste auch, dass er wegen des geringen Sauerstoffgehaltes immer mehr an Kraft verlieren würde, wenn er nicht etwas dagegen unternahm.
Raus aus diesem Gefängnis!
Einen großen Vorteil besaß die Ruhe. Suko konnte sich wieder besser konzentrieren.
Er schaute den helleren Kreis an.
Kein Schatten bewegte sich mehr außen vor ihm. Die sechs Trommler ruhten sich aus.
Dafür vernahm Suko ein anderes Geräusch. Ein dumpfes Brausen erreichte seine. Ohren. Er wusste nicht, was es war. Es klang einmal stark auf, schwächte sich dann ab, nahm wieder an Heftigkeit zu und verstummte schließlich ganz.
Wie ein Sturm, der heranwehte und abgeflaut war.
Dann sprach jemand.
Die Worte hörte Suko zwar, er verstand sie jedoch nicht. Es war ihm auch nicht möglich, die Stimme zu identifizieren. In seinem Zustand klare Gedanken zu fassen, war praktisch ein Ding der Unmöglichkeit.
Deshalb konzentrierte er sich auf seine Befreiung. Wenn er hier nicht raus kam, ging er elendig zugrunde.
Wieder hob der Inspektor den Kopf. Er hatte Mühe, seinen Blick auf die runde, helle Scheibe zu konzentrieren. Zwar bewegte sich die Riesentrommel nicht selbst, dennoch schwankte das Bild vor den Augen des Chinesen, der es noch einmal mit einer Konzentrationsübung versuchte und so tief durchatmete, wie es eben möglich war.
Es ging ihm ein wenig besser, sogar so gut, dass Suko seinen eigentlichen Plan wieder in Angriff nahm und sich kriechend auf sein Ziel zubewegte. Etwa eine halbe Beinlänge davor blieb er hocken und musste erst einen Schwindelanfall vorbeigehen lassen.
Die Sekunden verrannen, bis sich der Inspektor wieder etwas besser fühlte.
Mit der linken Hand stützte er sich ab. Der Arm war ausgestreckt, er musste ihm Halt geben, damit er seinen eigentlichen Plan in die Tat umsetzen konnte.
Er startete einen ersten Versuch, hob den rechten Arm und ballte seine Hand zur Karatefaust.
Suko wollte die harte Trommelbespannung durchhämmern!
In seinem Gesicht zuckte es dabei. Er stand wie unter Strom. Kalt rann es seinen Rücken hinab. Die Konzentration auf diesen Vorgang forderte ihm noch einmal alles ab.
Er nahm Maß.
Sehr genau richtete er seinen Blick auf das Ziel. Beim ersten Versuch musste er es schaffen, zu einem zweiten würden ihn seine Gegner sicherlich nicht kommen lassen.
Dann hörte er den Schrei!
Ein leises Wehen, aber er hatte dennoch das Gefühl, einen Stich mit einer langen Messerklinge in die Seele bekommen zu haben, weil er die Stimme kannte.
Shao hatte geschrien!
Mein Gott, sie musste sich ebenfalls in Lebensgefahr befinden. Dieser letzte Schrei hatte ihm Kraft und Mut gegeben.
Auf diesen einen Schlag kam es an.
Und Suko rammte seine Faust vor. Die Entfernung stimmte. Er traf, spürte den Ruck, hörte das Platzen und Reißen. Er dachte daran, dass sie ihm zwar die Beretta abgenommen, aber an seine Fäuste nicht gedacht hatten.
Mit diesem Gedanken und dem erlösenden schrillen Kampfruf auf den Lippen brach Suko durch die Bespannung und kippte nach vorn…
***
»Vorhang!« brüllte Ondekoza. »Lasst den Vorhang runter, verdammt!«
Dieser Ruf kam zu spät, denn ich war bereits mit einem gewaltigen Satz auf die Bühne gesprungen, wo ich endlich mitmischen wollte.
Ondekoza schaute sich um. Er wirkte irritiert. Ich erkannte, dass er die Übersicht verloren hatte. Noch immer zuckte das Licht. Ondekoza wusste nicht, wo er zuerst hinschauen
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