0450 - Sukos Totenfeier
zerknitterte dabei noch mehr. »Das weiß ich sehr gut. Hast du auch einen solchen Grund, Suko?«
»Ja.«
»Nenne ihn mir.«
Suko schüttelte den Kopf. »Nein, vielleicht später. Jetzt brauche ich die Grabbeigaben für eine Totenfeier.«
»Wie soll sie sein?«
»Nicht normal, besonders.«
Chu Tang schaute Suko an. In den Blicken des Verkäufers lag die Weisheit des Alters. Seine Hand schob sich weiter aus dem Jackenärmel hervor, und er fasste Suko an. »Ich spüre es, Vetter, dass du einen schweren Schicksalsschlag erhalten hast. Ist es die, die so schön ist wie die aufgehende Frühlingssonne?«
Suko nickte.
Chu Tang sagte nichts. Er atmete einmal schnaufend, drehte sich um und streifte einen Vorhang zur Seite, der zwei Regalhälften voneinander trennte. Er hatte keinen Kommentar abgegeben. Es wäre auch nicht seine Art gewesen.
Suko blieb zurück. Er hörte den Mann in einem anderen Raum arbeiten.
Dort riss er etwas auf. Das Geräusch hörte sich an, als würde starke Pappe zerrissen.
Suko wartete. Er rührte sich nicht von der Stelle und stand da wie ein Denkmal. Hin und wieder aber zuckten seine Mundwinkel doch, da war dann zu sehen, welch eine Hölle in ihm tobte.
Chu Tang kam zurück. Er hatte die Dinge in einen Karton gepackt und den Deckel geschlossen. »Da, nimm ihn!«
Suko bedankte sich. Er wollte bezahlen, doch der alte Mann schüttelte den Kopf.
»Ich freue mich, dass du so denkst.«
»Bitte, bleibe noch einen Augenblick, Suko«, sagte Chu Tang und lächelte ein wenig verloren. »Es kommt ja auf eine Minute nicht an, die Nacht ist noch lang. Ich möchte dich nur bitten, uns Bescheid zu sagen, wenn du Hilfe brauchst. Viele Menschen möchten in der Stunde des größten Schmerzes allein sein, gerade wir Chinesen, aber es gibt Dinge, da braucht man den Rat der Alten und Weisen. Wirst du dich daran erinnern, wenn es soweit ist, Suko?«
»Ja, das verspreche ich dir.«
Chu Tang nickte, schaute den Inspektor an und sagte mit leiser Stimme:
»Viel Glück.«
»Ich danke dir.«
Suko hatte das schmale Päckchen unter den Arm geklemmt und schritt davon. Ein sehr nachdenklicher Chu Tang schaute ihm nach. Als Suko die Tür geschlossen hatte, bewegte sich der alte Mann plötzlich sehr schnell, tauchte wieder hinter den Vorhang und drückte auf einen kleinen Knopf am Schreibtisch.
Als eine Signallampe aufflackerte, zog er eine Schublade auf, in die ein Mikrofon eingebaut worden war. »Ihr werdet euch beeilen müssen, wenn ihr meinen letzten Kunden nicht aus den Augen verlieren wollt. Beobachtet ihn, vielleicht braucht er Schutz.«
Mehr brauchte Chu Tang nicht zu sagen. Sein Wort hatte Gewicht, und seinen Anordnungen folgte man…
***
Ich hatte mir ein Taxi genommen, im Flur von der Automatenbrühe, die sich Kaffee nannte, zwei Becher gezogen und war in mein Büro gegangen, wo ich einsam wartete, den Kaffee schlürfte und eine Zigarette rauchte. Ich wollte auf meinen Chef, Sir James, warten und mit ihm über die schreckliche Lage sprechen.
Mit stumpfen Blicken starrte ich den Qualm der Zigarette nach, der aus meinem Mund quoll und sich verteilte. Ich hatte dabei das Gefühl, als würde er sich zu Figuren auflösen, aus denen sich immer wieder ein Gesicht zusammensetzte.
Das der Chinesin Shao!
Sie war Sukos Partnerin gewesen. Er hatte sie aus Hongkong mitgebracht, wo sie zunächst auf der anderen Seite gestanden hatte. Aber die Zuneigung oder Liebe hatte den Hass besiegt.
Shao war mit nach London gekommen und eingereiht worden in unseren Freundeskreis.
Schreckliche und gefährliche Abenteuer lagen hinter ihr. Sie hatte auch erfahren, dass sie aus einem alten Göttergeschlecht stammte und die letzte in der Ahnenreihe war. Amaterasu, die Sonnengöttin, hatte bisher schützend die Hand über sie gehalten.
Wir wussten, dass sie in permanenter Gefahr schwebte, denn Susanoo, Amaterasus Bruder, wartete auf eine Rückkehr aus der Verbannung. Er wollte auch den Fächer der Sonnengöttin in die Hände bekommen, dann würde seine Macht noch mehr erstarken.
Das war ihm bisher nicht gelungen, ebenso wenig wie es Shimada, ein mörderischer Ninja geschafft hatte, an den Fächer zu gelangen. Wer ihn besaß, der hatte auch die Macht.
Und Shao war in den Mühlen zerrieben worden. Sie hatte mit dem Leben dafür bezahlen müssen.
Ich hielt den leeren Pappbecher in der rechten Hand. In meinen Augen brannte es heiß, und ich merkte nicht, dass ich den Becher zerknüllte.
Erst die dabei entstehenden, knackenden
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