0451 - Ich gegen Randy, den Toten
sie auch nicht! Schon seit Tagen kommt sie nicht. Wir dachten, daß sie krank ist, aber sie muß umgezögen sein, ohne unserer Personalabteilung die neue Adresse zu nennen!«
»Sie hat also hier gearbeitet«, sagte ich. »Wie heißt sie?«
»Janice Robbins natürlich!«
Ich atmete auf. Ich hatte schon befürchtet, daß wieder ein neuer Name auftauchte und die frisch gewonnene Identität des Girls würde sich in Luft auflösen.
»Miß Robbins ist heute nacht in ihrem Hotelzimmer ermordet worden.«
Barlowe wich etwas zurück und fragte dann:
»Ermordet?«
Ich nickte. Er wurde blaß. Seine Hände suchten fahrig unter den Formularbergen herum, bis er eine angebrochene Zigarettenpackung gefunden hatte. Ich gab ihm Feuer. Er sog die ersten Züge gierig in sich hinein.
»Wie ist es passiert?« fragte er, als er sich wieder gefangen hatte. Ich berichtete ihm in groben Zügen, was wir heute morgen vorgefunden hatten. Langsam gewann sein Gesicht wieder die Farbe zurück.
»Ein versuchter Einbruch also?« sagte er. Ich hob die Schultern.
»Das steht noch nicht fest. Was hätte ein Einbrecher bei ihr suchen können?« Ich sagte nichts von unserer Theorie des Fassadenkletterers, der sich in dem Hotelzimmer geirrt hatte. Barlowe dachte nach, dann sagte er plötzlich:
»Wollte sie denn verreisen? Wieso war sie in einem Hotel und nicht in ihrem Apartment?«
»Es gibt noch mehr Fragen, die wir beantworten müssen. Versuchen Sie, uns zu beschreiben, was für ein Mädchen sie war«, forderte ich ihn auf.
»Sie war eine recht gute Verkäuferin. Jedenfalls, wenn sie gerade gut aufgelegt war. Ich merkte bald, daß sie besser an männliche Kunden verkaufen konnte, und stellte sie, wenn es möglich war, meistens an die Stände mit Krawatten, Herrenkonfektion usw. Da war sie eine gute Kraft. Aber oft vermischte sie das Geschäftliche mit dem Privaten, und dann war es natürlich aus.«
Ich hatte vergessen, an meiner Zigarette zu ziehen und drückte sie gedankenlos aus. Gespannt beugte ich mich vor.
»Können Sie das etwas präziser ausdrücken?«
Auf seinem Gesicht erschien ein selbstgefälliges Grinsen, das nicht besonders sympathisch wirkte.
»Nun, Sie haben schon richtig verstanden. Sie machte oft mit den Kunden Verabredungen aus. Ich möchte nicht sagen, daß sie ihnen mehr als Krawatten verkaufte, aber sie ging oft entschieden weiter, als in ihrem Angestelltenvertrag stand!«
»Sie meinen…« begann Phil, brach dann aber ab, denn Barlowe sprach weiter.
»Genau das. Aber sie traf sich nicht nur mit den Kunden. Sie brachte den ganzen Laden hier durcheinander, als sie begann, den anderen Girls die Freunde auszuspannen. Aber richtig böse sein konnte ihr keiner, sie war eine verdammt charmante Person!«
»Haben Sie persönlich auch zu den Glücklichen gehört?« fragte ich.
Er lächelte. »Sicher. Ich war ihre erste Eroberung.«
»Haben Sie irgendwelche Papiere über ihre Vergangenheit, Geburtsort und so weiter?« forschte ich, um ihn von seinem Thema abzubringen.
Er schüttelte den Kopf.
»Nein. Wir stellten sie während der Ausverkaufszeit als Aushilfe ein, da benötigen wir immer so dringend Hilfskräfte, daß wir auf Papiere keinen Wert legen, und danach bewährte sie sich so gut, daß sie bleiben konnte, ganz ohne Bürokratie.«
Ich stand auf und bedankte mich. Als ich schon bei der Tür war, drehte ich mich noch einmal um.
»Sagen Sie, Mr. Barlowe, waren Sie einmal in ihrer Wohnung am St. Marks Place?«
»Wo?« fragte er. Ich wiederholte langsam:
»Ob Sie schon einmal in Miß Robbins’ Wohnung -waren!«
»Ja, ich ,war einmal dort. Aber nicht am St. Marks Place. Janice wohnte 1072 East 40. Im achten Stock, Apartment 211.«
***
Wir gingen schweigend durch das Gewühl zu unserem Wagen zurück.
Als wir den Jaguar erreichten und drin saßen, steckten wir uns Zigaretten an und überlegten den nächsten Schritt.
»Offensichtlich hat das Girl ein Doppelleben geführt!« knurrte Phil. »Einmal war sie die Bücher lesende Lady, die sich mit Sir Wye über Kunstgeschichte unterhielt und abends für ihn seine Berichte tippte, und dann wieder war sie ein männermordender Vamp. Ich komme da nicht ganz mit!«
»Die Frage ist für mich: Wozu führte sie das Doppelleben? Wen wollte sie irreführen? Und warum benutzte sie für ihre beiden ›Leben‹ den gleichen Namen, während sie im Hotel unter einem anderen Namen abstieg?«
»Und vor allem, welche Rolle war die echte? Und wieviel Rollen spielte sie möglicherweise
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