0455 - Der Zeit-Zauberer
vorgekommen…
Cristofero betrachtete das Etikett. Er hatte Schwierigkeiten, die Schrift darauf zu lesen. Sie unterschied sich ein wenig von der, die er selbst gewohnt war. Überhaupt war es recht seltsam, daß man so ein buntes Schild auf das Glas geklebt hatte. Vor allem: wie war das gemacht worden? Der Don kratzte mit dem Fingernagel an der Papierkante.
Er schüttelte den Kopf. Seltsam! Auf der einen Seite verzichtete man auf den notwendigsten Mindestluxus, auf der anderen Seite verschwendete man wertvolles Papier für Flaschenbeschriftungen! Immerhin, das Bild auf diesem Papier war fein gemacht. Cristofero fragte sich, wie lang der Maler daran gearbeitet haben mußte, um derart feine Strichlein zu ziehen.
Schließlich stellte Cristofero die Flasche wieder zur Seite. Durchdringend sah er den Gnom an.
»Na schön«, brummelte er. »Er hat mich zum Frühstückstisch geführt. Aber was soll das? Er weiß genau, daß ich um diese Zeit nichts zu mir zu nehmen pflege. Höchstens einen winzigen Schluck köstlichen Rotweins. Doch wo sind nun die, äh, humpf, die Weiber, von denen Er redete? Wollte Er mich nicht zu denen führen?«
Der Gnom verbeugte sich tief, daß sein Buckel noch deutlicher zu sehen war, und grinste spitzbübisch. »Wartet noch einen kurzen Moment, Herr, und Ihr werdet sehen und staunen.«
Die gegenüberliegende Tür wurde geöffnet, und ein hochgewachsener, mittelblonder Mann trat ein.
Don Cristofero holte tief Luft.
Da sah er hinter dem Fremden die Frau.
Sie war bildschön. Vielleicht etwas zu schlank für Don Cristofero, aber mit einem hübschen, jungen Gesicht und schulterlangem, offenen Haar. Und sie war, wie der Gnom es gesagt hatte, völlig unbekleidet.
Don Cristofero zwinkerte verwirrt. Dann erhob er sich ächzend von dem unbequemen Stuhl. Der Gnom kicherte zufrieden.
Und der hochgewachsene Fremde, der nur ein kurzes, äußerst befremdliches und fast schon lächerliches Beinkleid trug und vor dessen Brust eine handtellergroße Silberscheibe hing, kam mit raschen Schritten auf Cristofero zu.
Dessen Blick fraß sich an der Silberscheibe fest.
Das war doch…!
***
Zwischenspiel
Im südlichen Wales erhob sich auf einem Berggipfel die unsichtbare Burg des Zauberers Merlin. Den Uralten, der sich kaum noch erinnern konnte, wann er das Licht des Universums erstmals erblickt hatte, plagten Sorgen.
Die geringste davon war die zerstörte Bildkugel im Saal des Wissens . Sie war in jenem Moment explodiert, als in den Tiefen der Hölle Ted Ewigk den Dhyarra-Kristall auf den Fürsten der Finsternis schleuderte.
Der Machtkristall war auf den Geist seiner Besitzerin verschlüsselt gewesen. Normalerweise hätte Julian Peters bei der Berührung sterben oder zumindest den Verstand verlieren müssen. Das gleiche Schicksal hätte die Besitzerin ereilen müssen. Doch es war nicht geschehen. Julian, der Fürst der Finsternis, hatte den Kristall aufgefangen und war nicht einmal verletzt worden.
Nur ein gewaltiger Magieschock war durch die Hölle gegangen, und nicht nur durch sie. Er hatte auch Caermardhin erreicht, Merlins Burg.
Natürlich! Denn hier befand sich die rechtmäßige Besitzerin des Machtkristalls im magischen Schlaf. Sie war eine Gefangene. Vor einiger Zeit war es - wiederum - Ted Ewigk gelungen, sie gefangenzunehmen. Er hatte die ERHABENE der DYNASTIE DER EWIGEN hierher gebracht, weil sie nirgendwo sonst ausbruchsicher festgehalten werden konnte. Denn auch ohne ihren Machtkristall, den Ted ihr genommen hatte, war sie gefährlich. In ihr floß Silbermond-Druiden-Blut.
Sie war die Tochter Merlins und der Zeitlosen Morgana le Fay! Sie war Sara Moon!
Und sie war zur Schwarzen Magie entartet. Sie setzte ihre enormen magischen Kräfte für das Böse ein. Dafür hatten die MÄCHTIGN über ihr damaliges Hilfsvolk, die schattenhaften Meeghs, gesorgt. Sie hatten die Zeitlose beeinflußt und dafür gesorgt, daß in Sara Moon eine magische Zeitbombe tickte. Programm CRAAHN hatten sie es genannt. Eines Tages war diese Zeitbombe explodiert, und Sara Moon hatte sich auf die Seite des Bösen gestellt.
Nun war sie eine Gefangene in der Burg ihres Vaters, den sie haßte, weil er auf der anderen Seite stand.
Doch dieser Haß war einseitig. Merlin sorgte sich um seine Tochter. Er liebte sie immer noch, war sie doch sein eigen Fleisch und Blut. Mehrmals bereits hatte er ihre Kammer aufgesucht und nachgeschaut, ob es ihr gut ging, seit dieser Dhyarra-Schock durch das Universum gerast war.
Äußerlich
Weitere Kostenlose Bücher