0455 - Der Zeit-Zauberer
Sonnenkönigs«, flüsterte Nicole Zamorra zu.
Der marschierte bereits auf den Tisch zu. Seine Augenbrauen senkten sich. Das Amulett sprach immer noch nicht an. Also waren diese beiden Fremden zumindest keine Schwarzmagier.
Zamorra warf dem Gnom einen wachsamen Blick zu. Er traute ihm nicht über den Weg. Das lag weniger daran, daß er eventuelle Vorurteile gegenüber Außenseitern der Gesellschaft haben könnte - in anderen Welten hatte er bizarrere und fremdartigere Wesen kennengelernt und als Freunde akzeptiert. Aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß andere Menschen weitaus weniger tolerant waren, und daß Geschöpfe von der Art des Mißgestalteten als Abwehrwaffe dagegen auf allerlei Tricks verfielen, die sie teilweise gar als bösartig erscheinen ließen. Solange der Gnom selbst nicht wußte, was er von Zamorra zu halten hatte, mußte dieser ihn als potentiellen Gegner einstufen.
Und immerhin hatte dieser Gnom ihn und Nicole vorhin schon einmal ausgetrickst.
Zamorra blieb vor dem Tisch stehen. »Wer sind Sie?« fragte er, während er die Kleidung des Dicken betrachtete. Der untersetzte Mann, der aufgestanden war, schien sie aus einem Kostümverleih geholt zu haben. Allerdings sah alles sehr, sehr echt aus. Sonnenkönig, hat Nicole gesagt. 17. Jahrhundert. »Wer sind Sie, und wie haben Sie beide es geschafft, einzudringen?«
Der Dicke schien Zamorras Worte erst sortieren zu müssen. Der Gnom legte den Kopf schräg und musterte Zamorra mit spöttischem Gesichtsausdruck. Das Bürschlein mit der jettschwarzen Haut besaß unglaublich helle Augen. Unwillkürlich verglich Zamorra sie mit dem Glühen von Dämonenaugen - aber diese Helligkeit war trotzdem ganz anders. Und wenn er ein Dämon wäre, dann spräche garantiert das Amulett auf ihn an. Auch wenn sich das sich darin entwickelnde Bewußtsein neuerdings in Schweigen hüllte, mußte Merlins Stern doch immer noch funktionieren.
»Einzudringen?« erwiderte der andere schließlich. Sein Französisch klang etwas singend und altertümlich. »Ich brauche nicht einzudringen, wenn ich mich in meinem eigenen Besitz befinde! Erkläre lieber Er Seine Anwesenheit hier! Parbleu , schämt Er sich nicht, so unzüchtig gekleidet herumzulaufen? Außerdem«, und er wies mit einer ausholenden Armbewegung auf den gedeckten Tisch, »dünkt mich dies alles recht kärglich für ein ausschweifendes Fest, wie's offenbar vorgesehen ist.«
Er machte eine kurze Sprechpause und fügte dann hinzu: »Und das in meinem Château! Unglaublich, wirklich unglaublich! Erkläre Er sich, Kerl!«
Nicole stand ganz dicht bei Zamorra. »Hat der 'nen Sprung in der Schüssel?« flüsterte sie. »Oder ist er aus irgendeinem Käfig ausgebrochen?«
Der Dicke zuckte leicht zusammen, hatte das Geflüsterte offenbar gehört. Er blinzelte und versuchte krampfhaft, Nicole nicht zu deutlich anzustarren. Dem Gnom dagegen machte es offenbar nichts aus, sich an Nicoles reizvollem Anblick zu weiden. Allmählich begann sie sich unwohl zu fühlen unter diesen Blicken.
»Wir wollen mal eines klarstellen«, sagte Zamorra. »Die Fragen stelle ich. Wer auch immer Sie sind, Monsieur, das hier ist mein Besitz. Sie befinden sich im Château Montagne. Und nun darf ich Sie um eine Erklärung für Ihr Hiersein bitten.«
Der Gnom streckte langsam eine Hand aus. Sie näherte sich dem Glas mit der Frühstückskonfitüre. Derweil legte der Dicke bedächtig seine rechte Hand auf den Griff des Degens.
Mit der linken zeigte er auf Zamorra.
»Er redet irre; Kerl«, sagte er. »Dergleichen brauche ich hier nicht dulden. Eile Er, sich vernünftig zu kleiden, und danach will ich Seine Entschuldigung für Sein unbotmäßiges Auftreten hören. Los, los, bewege Er sich!«
Zamorra schüttelte langsam den Kopf. Entweder spielte dieser seltsame Typ seine skurrile Rolle erstklassig und ließ sich durch nichts irritieren, oder er war schlicht und ergreifend verrückt. Oder er…
Der Gnom berührte das Konfitürenglas.
In einer blitzschnellen, kaum zu verfolgenden Bewegung zog der Dicke den Degen aus der Scheide. Die Klinge scharrte im Metall und flirrte dann durch die Luft, um zielsicher das Glas zu treffen und es dem Gnom aus der Hand zu wirbeln. Es flog über den Tisch, schmetterte gegen die Kaffeekanne und kippte sie um.
»Wird er wohl warten, bis Sein Herr gekostet hat!« brüllte der Dicke den Schwarzen an. »Naschhafte Kreatur! Was soll der Vorwitz?«
»Verzeiht, o Herr!« keuchte der Gnom zurückspringend. Der Dicke
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